Das ist keine Frage des Gewichts - im Gegenteil: "schwere Weine" mit
viel Alkohol sind auf der Waage tendenziell leichter, weil Alkohol einfach weniger wiegt als Wasser. Ob ein
Wein als "leicht" oder "schwer" empfunden wird, liegt an ganzen anderen Faktoren.
Zum ersten ist da der Alkohol. Je mehr davon ein Wein hat, als desto schwerer wird er empfunden. Das ist
im Grossen und Ganzen wohl auch richtig. Allerdings gilt es da, das richtige Mass zu finden.
Jahrelang hat die deutsche Weinwerbung auf "leicht" als Werbeargument gesetzt: deutsche Weine, von
Natur aus weniger von der Sonne
verwöhnt und dadurch Zucker - und mithin alkoholärmer. Doch Weine
mit wenig Alkohol laufen leicht Gefahr, schlicht "dünn" zu schmecken. Alkohol ist nämlich ein wichtiger
Geschmacksträger. Er bringt Aromastoffe erst richtig zur Geltung. Weine mit einem höheren Alkoholgehalt
haben zudem auch mehr andere Inhaltsstoffe, wie Glyzerin etwa, die sie "ölig" und "rund" wirken lassen.
Das ist weniger eine Frage des Geschmacks, als des Gefühls, den sie im Mund hinterlassen. Solche
Weine schneiden bei direkten Vergleichsverkostungen tendenziell besser ab als leichtere (man nennt
solche Tropfen gerne auch "Showroom-Weine") . Und deshalb ist nach
der Leicht-Wein-Welle das Pendel in die andere Richtung geschwungen
und wir haben es heute eher mit einer Schwergewichts-Welle zu tun.
13% Alkohol bei Weissweinen und 14% bei Roten sind fast schon die Regel für gehobene Qualitäten. In
jüngerer Zeit habe ich gleich zwei Weine gefunden, die 17% Alkohol hatten. Normale deutsche Weine ohne
Alkoholzusatz.
Der Trend zu mehr Alkohol hat mehrere Ursachen: Der Kundengeschmack
(auch wenn die Winzer da - wie gesagt - mittlerweile übertreiben),
immer bessere und reifere Trauben und die modernen Hefestämme. In Jahren wie 2003 und 2005, in denen
die Natur es sehr gut mit den Winzern meinte, da enthielten die Moste von Natur aus so viel Zucker, dass
die Winzer vor der Wahl standen, entweder einen Teil des Zuckers nicht zu vergären - dann hatten sie aber
liebliche Weine - oder eben
trockene zu erzeugen, die vor Alkohol strotzten.
Der Klimawandel bringt es mit sich, dass sich dieses Problem schärfer und häufiger stellt als früher.
Weinbauländer in Übersee teil-entalkoholisieren ihre Weine heute schon häufig. Das ist in
Deutschland verboten. Denkbar wäre ein Verschnitt von sehr zuckerreichen Mosten mit weniger kräftigen,
das würde auch den Rübenzuckerverbrauch senken (wenn die EU den nicht sowieso verbietet). Die
alkoholstarken Weine sind überhaupt auch erst möglich geworden durch Hefen, die eigens dafür gezüchtet
wurden, solche Alkoholgehalte zu erzeugen. Früher sind die Hefen schon bei wesentlich geringeren Werten
an ihrem eigenen Ausscheidungsprodukt (dem Alkohol) zu Grunde gegangen.
Das Problem sehr schwerer Weine: davon wird man in der Regel schnell
"satt". Der Alkohol selbst - aber auch die enorme Geschmacksfülle,
die mit ihm einhergeht -, ermüdet die Zunge und den Gaumen. Sehr
alkoholreiche Weine laufen aber auch Gefahr, "brandig" zu wirken, d.h. vordergründig und stark nach
Alkohol zu schmecken. Ein Effekt, der übrigens auch mit der Trinktemperatur zu tun hat - je wärmer
der Wein, desto leichter wirkt er brandig. Das heisst im Umkehrschluss auch: sehr schwere Weine lieber
etwas kälter trinken.
Ausser Kälte lässt auch Säure einen schweren Wein weniger gewichtig wirken. Säure belebt richtig fette
Brummer und wirkt ihrer brandigen Art entgegen. Das gilt nicht nur für die Wein- (resp. Äpfelsäure),
sondern auch für die Kohlensäure. Ein leichtes Prickeln macht schwere Weine leichtfüssiger.