Im Jahr 1998 berichteten wir über eine damals für Deutschland neue und sehr umstrittene
Konservierungsmethode für Lebensmittel - die
Bestrahlung. Verbraucherschützer befürchteten negative Auswirkungen auf die Gesundheit und zudem eine
Verbrauchertäuschung, denn vergammelte Ware kann durch diese Behandlung "geschönt" werden. Auch
die Bevölkerung reagierte mit Ablehnung. Dennoch dürfen in Deutschland heute getrocknete Kräuter und
Gewürze bestrahlt verkauft werden - mit der entsprechenden
Deklaration. Damit hat Deutschland in der EU einen Alleingang durchgesetzt, denn in Nachbarländern wie
Frankreich ist die Bestrahlung weit verbreitet. Muss der deutsche Verbraucher also damit rechnen, dass
noch eine ganze Reihe weiterer bestrahlter Lebensmittel ohne Kennzeichnung in den Handel kommen?
Amtliche Kontrollen decken immer wieder illegale Machenschaften auf. Was ergeben aktuelle
Untersuchungen zu den gesundheitlichen Risiken? _Den Strahlen ausgesetzt_ Die
Lebensmittelbestrahlung ist ein Verfahren zur Konservierung von Lebensmitteln mit Hilfe von sogenannten
"ionisierenden" Strahlen, die beim Zerfall einer radioaktiven Strahlenquelle entstehen. Meist handelt es sich
um Gammastrahlen aus einer Cobalt-60-Quelle, die
fest im Bunker einer Bestrahlungsanlage eingeschlossen ist. Die Lebensmittel werden in diesen Bunker
über ein automatisches Transportsystem hineingeschickt und der Strahlenquelle ausgesetzt.
Sie kommen mit dem radioaktiven Material aber nicht direkt in Berührung. Bei der Bestrahlung werden
Bakterien und weitere Keime, Parasiten und Insekten zerstört. Der Anwendungsbereich reicht von frischem
Obst und Gemüse über Gewürze, Kräuter, Getreide und Kartoffeln bis zu Geflügel, Schalentieren und
Kräutertees.
_Weltweit verbreitete Methode_ Die Behandlung von Lebensmitteln mit ionisierenden Strahlen wird in über
40 Ländern der Welt praktiziert. Innerhalb der EU hat die Bestrahlung in Belgien, Frankreich,
Grossbritannien und den Niederlanden die grösste Bedeutung. In der Bundesrepublik gibt es ein
Bestrahlungsverbot. Eine Ausnahmeregelung besteht für Gewürze, getrocknete Kräuter und
Froschschenkel. Unter bestimmten Bedingungen sind sie auch bestrahlt für den deutschen Markt
zugelassen. Allerdings müssen sie dann entsprechend gekennzeichnet sein - mit dem Hinweis "bestrahlt"
oder "mit ionisierenden Strahlen
behandelt". Die Deklarationspflicht besteht auch in den anderen EU-Ländern und erfolgt in der jeweiligen
Landessprache.
_Kontrolle durch die chemischen Untersuchungsämter_ In den letzten 10 bis 15 Jahren haben sich die
analytischen Verfahren zum Nachweis bestrahlter Lebensmittel ständig weiterentwickelt. Über ein Dutzend
Labore haben sich auf diese Verfahren spezialisiert. Sie kontrollieren bundesweit und flächendeckend. Im
Jahr 2006 wurden insgesamt 4.137 Proben durch die Behörden der Bundesländer untersucht. Rund 2
Prozent der in Deutschland im Jahr 2006 auf Bestrahlung untersuchten Lebensmittel sind zu beanstanden.
Zitat aus dem Jahresbericht Lebensmittelbestrahlung 2006 des Bundesamtes für Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit (BVL):
"Bei rund einem Drittel der wegen unzulässiger Bestrahlung beanstandeten Lebensmittel handelte es sich
um Suppen und Sossen.
Über ein Viertel der Beanstandungen wegen unzulässiger Bestrahlung entfiel auf
Nahrungsergänzungsmittel. Auch Pilze, Gewürze, asiatische Nudelsnacks, Tee und getrocknetes Gemüse
wurden wegen unzulässiger Bestrahlung beanstandet. Diese Lebensmittel dürfen in Deutschland nicht in
den Verkehr gebracht werden, wenn sie mit Strahlung haltbar gemacht wurden. Zudem waren die
Lebensmittel nicht als bestrahlt gekennzeichnet." Haben die Kontrolleure eine nicht genehmigte
Bestrahlung nachgewiesen, werden die Lebensmittel aus dem Verkehr gezogen.
Ausserdem wird der Importeur ermittelt, der für die Ordnungswidrigkeit ein Bussgeld bezahlen muss.
_Gesundheitliche Risiken_ Die Lebensmittelbestrahlung wurde vor allem in den 60er-, 70er- und
80er-Jahren umfassend untersucht und von der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) als gesundheitlich unbedenkliches Verfahren eingestuft. Auch die EU
hat in einer Risiköinschätzung von 1986 festgestellt, dass bestrahlte Lebensmittel keine Gesundheitsgefahr
für den Verbraucher darstellen.
Inzwischen gibt es Untersuchungen neueren Datums, Studien, die sich mit den sogenannten
Radiolyseprodukten befassen. Das sind Substanzen, die durch die Bestrahlung innerhalb des
Lebensmittels entstehen. Insbesondere in fetthaltigen Lebensmitteln bildet sich zum Beispiel das 2-
Alkylcyclobutan. Diese Substanz hat sich als
problematisch herausgestellt. In Fütterungsversuchen mit Ratten und an menschlichen Zelllinien haben
Wissenschaftler ein toxisches Potenzial festgestellt. Die Substanz schädigt das Erbgut und wirkt co-
karzinogen, das heisst, sie verstärkt die Entwicklung von Krebs.
Auch wenn es sich bei den Untersuchungen um Mengen handelt, die der Mensch mit dem Verzehr
bestrahlter Lebensmittel kaum erreicht - auf
lange Sicht ist nicht geklärt, wie und in welcher Menge diese strahlenspezifischen Substanzen beim
Menschen wirken. Ein gesundheitliches Risiko kann nicht ausgeschlossen werden. Deshalb sind weitere
Untersuchungen in dieser Richtung notwendig.
_Argumente der Bestrahlungsgegner_ Ausser diesen möglichen gesundheitlichen Risiken gibt es aus
Sicht zum Bespiel der Verbraucherschützer noch einen weiteren Grund, das Bestrahlungsverbot
aufrechtzuerhalten. Es besteht die Gefahr, dass Lebensmittelhersteller die Bestrahlung missbräuchlich
einsetzen, um Hygienemängel zu kaschieren. Selbst überlagerte Produkte kann man durch diese
Behandlung für den Verbraucher noch frisch erscheinen lassen. Solange jedoch Lebensmittel unter
ausreichender Hygiene hergestellt und gewissenhaft gelagert und transportiert werden, ist auch keine
Bestrahlung nötig.
Eine weitere Kritik der Bestrahlungsgegner: Obst und Gemüse sieht
zwar nach einer Bestrahlung immer noch frisch aus, der Nährwert der Lebensmittel wird allerdings negativ
beeinflusst. So sind zum Beispiel die essenziellen Aminosäuren Methionin und viele Vitamine (A, E, C, B1,
B12, K und Thiamin) sehr strahlenempfindlich.
_Bestrahlungsverbot in Deutschland - erfolgreicher Alleingang_
Die Praxis der Lebensmittelbestrahlung wird im Zuge der globalen Warenströme an Bedeutung gewinnen.
Vor allem in Ländern ausserhalb der EU, in Asien und Lateinamerika, werden ständig neue
Bestrahlungsanlagen errichtet. Die Überwachungsämter hierzulande sind mit neuesten Analyseverfahren
auf bestrahlte Importware aus diesen sogenannten Drittländern eingestellt. So kann sich das
Bestrahlungsverbot in Deutschland - im Alleingang innerhalb der EU -
auch künftig bewähren.
_Ergebnisse der Internetumfrage_ Die deutsche Bevölkerung lehnt seit jeher die Bestrahlung von
Lebensmitteln grösstenteils ab. Unsere zweiwöchige Zuschauerumfrage im Internet zeigt das sehr
eindrucksvoll. Auf unsere Frage "Wie stehen Sie zur Bestrahlung von Nahrungsmitteln?" ist die Antwort:
* 2.432 lehnen sie ab
* 65 ist sie egal
* 95 befürworten eine Bestrahlung
Repräsentative Zahlen in der Bevölkerung sind zwar nicht ganz so deutlich, aber immerhin sehen nach
neueren Untersuchungen insgesamt rund zwei Drittel der Deutschen die Bestrahlung als ein potenzielles
Risiko an.
_Weitere Informationen_
* http://www.was-wir-essen.de/verbraucher/1992_1148.php
Fragen und Antworten rund um die Lebensmittelbestrahlung auf der Seite des aid infodienst
Verbraucherschutz Ernährung Landwirtschaft
* http://www.bfa-ernährung.de/bestrahlung/index.htm
Ausführliche Infos auf der Seite der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel
*
http://www.bvl.bund.de/cln_007/nn_494194/DE/01__Lebensmittel/01__Sic
herheit__Kontrollen/072__Bestrahlung/01__Berichte/Bestrahlung__Beric ht__2006.html__nnn=trü
Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL):
"Jahresbericht Lebensmittelbestrahlung 2006"
*
http://www.bvl.bund.de/cln_007/nn_494194/DE/01__Lebensmittel/06__Ver
braucherinfos/05__LMBestrahlen/LM__Bestrahlen.html__nnn=trü BVL: "Bestrahlung von Lebensmitteln"
*
http://www.bvl.bund.de/cln_007/nn_494194/DE/01__Lebensmittel/01__Sic
herheit__Kontrollen/072__Bestrahlung/Bestrahlung.html__nnn=trü BVL, weitere Hintergrundinformationen
über die Bestrahlung von Lebensmitteln und den rechtlichen Rahmen: "Bestrahlte Lebensmittel"
* http://www.vz-nrw.de/UNIQ119511966300370/link2763A.html
Artikel zur Lebensmittelbestrahlung auf der Seite der Verbraucherzentralen
*
http://www.eufic.org/article/de/Lebensmitteltechnologie/lebensmittel
verarbeitung/artid/lebensmittelbestrahlung/ Seite des Europäischen Informationszentrum für Lebensmittel
EUFIC
* http://www.ernährungs-umschau.de/suche/?id=3021
Ernährungs-Umschau: Kurzinformation zu dem Artikel
"Lebensmittelbestrahlung" und Möglichkeit zum kostenpflichtigen Download des ganzen Artikels
* http://ec.europa.eu/food/fs/sfp/fi11_en.pdf
Englischsprachiger Artikel zur Bestrahlung auf der Seite der EU:
Communication from the Commission on Foods and Food Ingredients authorised for treatment with ionising
radiation in the community (2001/C 241/03), PDF-Datei (61 KB)
*
http://www.sciencedirect.com/science?_ob=ArticleURL&_udi=B6T6P-4P2S9
5K-2&_user=10&_origUdi=B6TVT-459J53Y-3&_fmt=high&_coverDate=12%2F31%
2F2007&_rdoc=1&_orig=article&_acct=C000050221&_version=1&_urlVersion
=0&_userid=10&md5=bbb0e7ccbd4747a6b43d2dd9944f7739 Abstract zum Artikel der oben erwähnten
Studie zu den Radiolyseprodukten von A. Hartwig, A. Pelzer, D. Burnouf, H. Titéca, H. Delincée u.a. mit der
Bezeichnung "Toxicological potential of 2-alkylcyclobutanones - specific radiolytic products in irradiated
fat-containing food - in bacteria and human cell lines", der auf
dieser Seite kostenpflichtig heruntergeladen werden kann
http://www.wdr.de/tv/service/essentrinken/inhalt/20071116/b_3.phtml