Reissende, ziehende Schmerzen, die Bewegung wird zur Qual - Rheuma
ist weit verbreitet, und die Betroffenen plagen sich tagtäglich mit den Symptomen. Noch vor wenigen Jahren
haben die meisten Rheumäxperten mit den Schultern gezuckt, wenn es um die Frage ging, ob es so etwas
wie eine "Rheumadiät" gäbe: Nein, gegen die
schmerzenden Gelenke könne man nur mit Medikamenten etwas machen.
Das Einzige, was man schon länger weiss: Übergewicht schadet den
Gelenken, weil es sie zusätzlich belastet.
Die Situation sieht heute etwas anders aus. Immer mehr Rheumaspezialisten empfehlen ihren Patienten,
zumindest eine Ernährungsumstellung in Erwägung zu ziehen. Denn es gibt mittlerweile einige
interessante Studienergebnisse, die zeigen, dass einzelne Inhaltsstoffe tatsächlich Einfluss auf die
entzündlich-rheumatischen Erkrankungen nehmen können. Bestimmte
Nahrungsbestandteile entfachen die schmerzhaften Entzündungsvorgänge, andere hemmen sie. Es gibt
zwar keine Wunderdiät, die das Rheuma heilen könnte, aber durchaus Ernährungsempfehlungen, die zur
Linderung beitragen. Wie sieht eine rheumagerechte Ernährungsweise aus? _Ernährungsberatung beim
Profi_ Gerlinde S. hat seit 15 Jahren rheumatische Arthritis. Seitdem nimmt sie regelmässig stark
wirksame Rheumamedikamente ein. Die Krankheit ist sehr schmerzhaft. Trotzdem braucht sie seit einigen
Jahren kaum noch Schmerzmittel. Ein Grund: Seit der Geburt ihrer Tochter
ernährt sich Gerlinde S. anders als zuvor.
Noch während der Stillzeit hat sie ihr Rheumatologe an die Ernährungsberaterin Dr. Barbara Missler-Karger
weiterempfohlen. Sie
arbeitet seit vielen Jahren mit Patienten, die unter chronischen Entzündungen leiden. Die Grundlage des
Ernährungskonzeptes: Man
kann die Entzündung, die zum Beispiel eine rheumatische Arthritis so schmerzhaft macht, eindämmen,
wenn man anstatt der vor allem im tierischen Fett enthaltenen Arachidonsäure vermehrt Omega-3-
Fettsäuren zu sich nimmt.
_Kampf gegen eigene Zellen_ Wenn im Körper eine Entzündung tobt, sind unzählige Abwehrzellen aktiv -
egal ob die Entzündung akut oder chronisch ist wie zum
Beispiel bei der rheumatischen Arthritis. Normalerweise bedeutet "Entzündung", dass der Körper gegen
einen Eindringling kämpft.
Entzündungen sind also lebensnotwendige "Abwehrschlachten". Bei sogenannten Autoimmunerkrankungen
wie Rheuma jedoch kämpft der Körper fehlgesteuert gegen eigenes Gewebe, gegen eigene Zellen. In
diesem Zusammenhang schadet der Entzündungsprozess und sollte eingedämmt werden.
_Entzündung bekämpfen_ Die meisten Schmerzmittel hemmen den Entzündungsprozess, indem sie die
Bildung von Botenstoffen hemmen, die dafür sorgen, dass Abwehrzellen zum Entzündungsherd gelangen.
Genaür: Damit die
Abwehrzellen zum Ort der Entzündung gelangen, müssen sie zunächst davon "erfahren". Es gibt ein
komplexes Nachrichtensystem, in dem Botenstoffe die Kommunikation übernehmen (Prostaglandine und
Leukotriene). Es gibt Botenstoffe, die die Abwehrzellen herbeiholen, andere stoppen den Abwehrkampf.
Damit eine ungesunde chronische Entzündung eingedämmt wird, muss der Körper mehr hemmende als
aktivierende Botenstoffe herstellen. Das gelingt, indem man Schmerzmittel zu sich nimmt - oder bestimmte
Fettsäuren aus der
Ernähung.
_Entzündungsfördernde Fettsäuren_ Die Arachidonsäure ist Ausgangsstoff für Botenstoffe, die eine
Entzündung aktivieren. Es handelt sich um eine ungesättigte Fettsäure, die in unserem Körper aus
Omega-6-Fettsäuren
pflanzlicher Öle gebildet wird, die wir aber auch reichlich mit tierischen Fetten aus der Nahrung zu uns
nehmen. Die höchste Menge an Arachidonsäure findet man in Schweineschmalz oder -leber.
Insgesamt sollten Betroffene also tierische Fette meiden, um die Menge an Arachidonsäure im Körper
gering zu halten.
_Entzündungshemmende Fettsäuren_ Daneben gibt es die Eicosapentänsäure, kurz EPA. Sie ist eine
Omega-3-Fettsäure, die ebenfalls auf das Entzündungsgeschehen
einwirkt. Die aus ihr gebildeten Botenstoffe löschen das Entzündungsfeuer. Ausserdem schützen Omega-3
-Fettsäuren laut
Studien die Gefässe und das Herz. Leider sind die EPA oder auch die Omega-3-Fettsäuren, aus denen
EPA im Körper gebildet werden kann,
in unseren Lebensmitteln vergleichsweise selten enthalten.
_Fisch macht Eskimos gesund_ Obwohl sich Eskimos sehr fettreich ernähren, wurde bereits vor mehreren
Jahrzehnten beobachtet, dass sie seltener als wir Mitteleuropäer an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden.
Der Grund
liegt in der Qualität der Fette, die sie essen. Fische, die in kalten Gewässern leben, brauchen eine Art
Frostschutzmittel - und
das sind die mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren. Diese
Fettsäuren halten ihre Zell- und Gefässwände elastisch und
flexibel, auch bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt.
Menschen, die viel Kaltwasserfisch essen, profitieren von dem hohen Anteil der Omega-3-Fettsäuren im
Fisch.
_Pfanne oder Kapsel?_ Omega-3-Fettsäuren kann man entweder über frischen, fettreichen
(Kaltwasser-)Fisch wie Lachs, Hering und Makrele oder pflanzliche
Öle wie Lein-, Raps- oder Walnussöl zu sich nehmen.
Rheumapatientin Gerlinde S. isst gerne Fisch, und weil sie ohnedies mehrmals in der Woche
Medikamente einnehmen muss, verzichtet sie auf Nahrungsergänzungsmittel in Kapselform. Für viele
Patienten sind diese aber durchaus sinnvoll, so die Meinung von Dr. Barbara Missler-Karger vom
Arbeitskreis Ernährungsmedizin der Deutschen
Gesellschaft für Rheumatologie e.V. Zum Beispiel für Personen, die keinen Fisch mögen oder denen er
schlicht zu teuer ist. Anders als noch vor wenigen Jahren kommt es bei einigen der Produkte auch nicht
mehr zum "fischigen" Aufstossen.
_Vitamine: Datenlage noch unklar_
Es gibt noch andere Ernährungsempfehlungen für Rheumapatienten: Da
sogenannte Freie Radikale (aggressive Sauerstoffmoleküle) ebenfalls den Entzündungsprozess fördern,
erscheint es nur logisch, dass die Entzündung zurückgehen müsste, wenn man diese Freie Radikale
"einfängt". Antioxidantien wie Vitamin C, E oder Selen und Zink wirken als solche Radikalfänger und sollten
- so zumindest die
Datenlage auf dem Papier - ebenfalls helfen.
Doch bisher konnten Studien nicht eindeutig belegen, dass Rheumapatienten von einer vermehrten
Einnahme dieser Vitamine profitieren. Und da all diese Vitamine und Spurenelemente in einer
ausgewogenen Ernährung ausreichend enthalten sind, wäre eine Nahrungsergänzung über Kapseln oder
Dragees ohnehin nicht nötig und damit auch wenig empfehlenswert. Ausserdem ist die ganze Frucht oder
frisches Gemüse gesünder als eine Kapsel mit einzelnen Vitalstoffbestandteilen. Denn die vielen
sogenannten sekundären Pflanzenstoffe machen die Naturprodukte besonders wertvoll.
_Alles braucht seine Zeit_ Wer nun denkt, dass seine Schmerzen gleich nach der ersten Fischmahlzeit
verschwinden, irrt sich. Denn wie bei fast allen Ernährungsempfehlungen gilt: Haben Sie Geduld! Gerlinde
S.
berichtet, dass sie nach etwa drei Monaten bemerkte, dass die Omega-3-Fettsäuren-reiche Ernährung hilft.
Von da an konnte sie
die Menge ihrer Schmerzmittel immer weiter einschränken. Heute nimmt sie fast keine Schmerzmittel
mehr.
_Kein Ersatz für die Therapie_ Genau wie Krankengymnastik kann die Umstellung der Ernährung die
eigentliche Basistherapie der Rheumärkrankung nicht ersetzen. Denn die Basismedikamente verhindern,
dass die Krankheit weiter fortschreitet. Dr. Barbara Missler-Karger: "Die grundlegende
Therapie und die Therapieueberwachung durch den Arzt ist unerlässlich. Ernährung ist ein Zusatzmodul,
wie zum Beispiel die Krankengymnastik oder die Ergotherapie, die ja auch in sich Schmerz lindernd
wirken." Die Ernährungsumstellung unterstützt also den Kampf gegen die Schmerzen, und viele Patienten
berichten, dass sie nun weniger Schmerzmittel brauchen und dass ihre Gelenke weniger steif sind. Und
das ist schon viel. Denn die gängigen Schmerzmittel, die Rheuma-
und andere chronische Schmerzpatienten regelmässig einnehmen müssen, haben schlimme
Nebenwirkungen. Vor allem nach jahrelanger regelmässiger Einnahme können Nieren oder Leber
geschädigt werden.
_Ergebnisse der Internetumfrage_ Unsere zweiwöchige Internetumfrage "Glauben Sie, dass man
Gelenkentzündungen mit einer gezielten Ernährung lindern kann?" ergab folgendes Ergebnis:
_Weitere Informationen_
*
http://www.vis.bayern.de/ernährung/fachinformationen/ernährung/ern
ährung_krankheit/rheuma.htm Umfassende und detaillierte Informationen zum Thema
"Entzündungshemmende Ernährung bei rheumatischen Erkrankungen" kann man beim bayerischen
Verbraucherministerium nachlesen.
* http://www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=196
Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zum Thema "Gibt es eine Rheuma-Diät?"
www.rheuma-liga.de
Die Deutsche Rheuma-Liga ist eine der grössten
Selbsthilfeorganisationen im Gesundheitsbereich und vertritt die Interessen von circa 9 Millionen
Menschen, die aufgrund einer chronischen rheumatischen Erkrankung ständiger Behandlung bedürfen. Für
Patienten mit rheumatischen Erkrankungen sind in den letzten Jahren unterschiedliche
Patientenschulungsprogramme entwickelt worden.
* http://www.rheuma-liga.de/
Umfangreicher Artikel zum Thema "Ernährung bei Rheuma" auf der Seite der Rheuma-Liga, PDF-Datei (50
KB)
*
http://www.abbott-care.de/cms/pub_abbott_care/content/e48/e148/e272/
e352/FINAL_Ernhrung_panorama_7_09_06.pdf "Ernährungsfahrplan für Patienten mit rheumatoider
Arthritis", PDF-Datei (2.789 KB). Autorin ist die Expertin aus unserem Beitrag:
Dr. Barbara Missler-Karger.
* http://www.dgrh.de/
Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) ist eine gemeinnützige, medizinische
Fachgesellschaft von Wissenschaftlern, deren Arbeit sich mit dem gesamten Bereich der Rheumatologie
und dessen Entwicklung in Deutschland befasst.
* http://www.waswiressen.de/infosfür/rheuma_5307.php
Artikel zum Thema "Wie kann die Ernährungsweise die Rheumabehandlung unterstützen?" auf dem
Ernährungsportal des aid infodienst Verbraucherschutz Ernährung Landwirtschaft
*
http://www.test.de/themen/essen-trinken/test/-Fischölkapseln/127686
4/1276864/1277493/ Hier können Sie einen Test der Stiftung Warentest zum Thema "Fischölkapseln"
abrufen ("test" Heft 08/2005).
* http://www.ökotest.de/cgi/ot/otgs.cgi?doc=32124
Hier können Sie einen Test der Zeitschrift "ÖKÖ-TEST" zum Thema
"Fischölkapseln" abrufen (Mai 2004) _Links_
* http://www.wdr.de/tv/service/kostprobe/inhalt/20030825/b_1.phtml
Gesundes Fett: Omega-3-Fettsäuren
(Servicezeit: Kostprobe vom 25. August 2003)
* http://www.wdr.de/tv/service/gesundheit/rubrik/alpha_r.phtml
Verschiedene Beiträge zum Thema "Rheuma" (Servicezeit: Gesundheit, Archiv)
_Buchtipps_
* Olaf Adam
Diät und Rat bei Rheuma und Osteoporose Hädecke, 2004 ISBN 9783775003513 Preis: 16,90 Euro
* Patsy Westcott
Die Gesundheitsküche: Rheuma und Arthritis
Umschau-Buchverlag, 2001
ISBN 9783829571227 Preis: 9,90 Euro
* Peter Mayr, Jürg Eichhorn
Gesunde Ernährung bei Rheuma Haug, 2003 ISBN 9783830420910 Preis: 19,95 Euro