Fisch ist gesund - auch deshalb essen die Deutschen immer mehr
davon. Doch die Schreckensnachrichten über leer gefischte Meere brechen nicht ab. Die Fischzucht, auch
Aquakultur genannt, gilt als Ausweg aus dem Dilemma. Über 30 Prozent aller Speisefische stammen
mittlerweile aus Aquakultur, Tendenz rasch steigend. Im Mittelmeer und im Atlantik vor den Kanarischen
Inseln sind in den vergangenen Jahren immer neue Zuchtanlagen entstanden, hauptsächlich für Doraden.
Wenn die Gehege wie beispielsweise bei La Palma vor Steilküsten in starker Strömung verankert sind, ist
zumindest eine Verschmutzung der Gewässer durch absinkende Futterreste sowie durch die
Ausscheidungen der vielen Fische auf engem Raum, ausgeschlossen.
_Giftige Naturstoffe reichern sich an_ Wissenschaftler der Universität Hohenheim haben nun aber in
Speisefisch aus der Zucht giftige organische Substanzen gefunden, die seit 2004 EU-weit verboten sind:
polybromierte organische
Substanzen. Bislang hatte niemand damit gerechnet, dass sie sich in Meeresfischen anreichern und so auf
dem Teller der Verbraucher landen könnten.
Der Chemiker Professor Walter Vetter fahndet seit 1999 in Nahrungsmitteln gezielt nach giftigen
Substanzen, die natürlichen Ursprungs sind. Diente die Arbeit in seinem Labor vor Jahren noch
ausschliesslich der Forschung, so wenden sich mittlerweile auch die Lebensmittelüberwachungsbehörden
gezielt an ihn, um die umfassenden Analysemöglichkeiten für den Verbraucherschutz zu nutzen. Wie die
polybromierten Substanzen in Zucht-Doraden aus dem
Mittelmeer gelangen können, hat Professor Vetter mittlerweile herausgefunden: "Das sind Verbindungen
wie sie zum Beispiel Algen
und Schwämme produzieren. Und diese Verbindungen haben erstaunlicherweise eine sehr grosse
strukturelle Ähnlichkeit mit Stoffen, die von Menschenhand geschaffen wurden und die als problematische
Umweltstoffe eingestuft werden." Sie ähneln beispielsweise Flammschutzmitteln, die in elektronischen
Geräten eingesetzt werden.
_Wildfisch nicht betroffen_ In der Natur wehren Schwämme und Algen, die keine Möglichkeit zur Flucht
haben, mit Stoffen, die grosse Ähnlichkeit mit den Flammschutzmitteln haben, Fressfeinde ab. Fische, die
sich frei im Meer bewegen, sind diesen Stoffen nur in geringem Masse ausgesetzt.
Fische hingegen, die in eingezäunten Aquakulturen in Küstennähe gehalten werden, sind den gefährlichen
Naturstoffen konstant ausgesetzt. Sie werden vermehrt aufgenommen und im Fettgewebe angereichert.
Noch ist nicht geklärt, wie bedenklich der Verzehr solcher Fische für den Verbraucher sein kann. Die
Wissenschaftler schlagen daher noch keinen Alarm. Weitere toxikologische Untersuchungen sollen
Gewissheit verschaffen und natürliche polyhalogenierte Verbindungen werden im Sinne des
Verbraucherschutzes bei Kontrollen im Auge behalten. Deutlich wird, dass Aquakultur bisher noch
unbekannte Risiken in sich birgt und die Haltungsbedingungen immer wieder überprüft werden müssen.
Autor: Wolfram Schiebener
_Links_
*
http://www.ilc.uni-hohenheim.de/vetter/dtsch/download/CR04_31-34_scr
een.pdf "Polybromiert und trotzdem natürlich". Universität Hohenheim -
Institut für Lebensmittelchemie (PDF-Download, 489 KB)
*
http://www.ilc.uni-hohenheim.de/vetter/dtsch/forschung/i_forschung.h
tm Informationen zu den Naturstoffen in Fischen. Universität Hohenheim
- Institut für Lebensmittelchemie
*
http://joachimbublath.zdf.de/ZDFde/inhalt/13/0,1872,5562701,00.html?
dr=1 "Hoffnung Aquakultur - Neue Wege in der Fischzucht". (ZDF, Joachim
Bublath)
*
http://www.greenpeace.de/themen/meere/nachrichten/artikel/intensivie
rung_der_aquakultur_schafft_gravierende_probleme/ "Intensivierung der Aquakultur schafft gravierende
Probleme".
Greenpeace, Artikel vom 29. Januar 2008
* http://www.fao.org/fishery/
Welternährungsorganisation. Auf der Seite der Welternährungsorganisation findet man Fakten rund um
Fischerei und Aquakultur in der ganzen Welt, unter anderem auch der Weltfischereibericht.
*
http://www.bfr.bund.de/cm/232/lebensmittelsicherheit_bei_aquakulture
n_eine_herausforderung_im_zeichen_der_globalisierung.pdf "Lebensmittelsicherheit bei Aquakulturen".
Artikel des Bundesinstituts für Risikobewertung (PDF-Download)