Ostern: Ein Fest für das Leben Wir verdanken unser heutiges Osterfest
vermutlich den alten Germanen. Ob es nun Thor gewidmet war oder einer Göttin namens Ostara, kann
heute niemand mit Gewissheit sagen.
Sicher ist aber: Man feierte zu allen Zeiten die Wiederkehr des
Frühlings. Selbst die Römer taten dies. Ihr Neujahrsfest lag nämlich im März. Der Frühling ist im nördlichen
Europa die Zeit des Erwachens der Natur: Das Wiederauferstehen von Wiese, Wald und
Feld aus der winterlichen Erstarrung. Die Tage werden jetzt länger als die Nächte. Das Licht verdrängt die
Dunkelheit. Es beginnen die Monate der Fülle und des Wachstums. Die Natur zeigt sich üppig, kraftvoll
und vor allem fruchtbar. Die Saat geht auf, die meisten Tiere bekommen ihre Jungen. Mit dem Frühling
besiegt das Leben den winterlichen Tod. In der christlichen Religion besiegt das Leben den Tod mit der
Auferstehung Jesu. Die Fruchtbarkeit steht im Mittelpunkt des Osterfestes. Daran hat auch der christliche
Glaube nichts geändert. Fast alle Symbole haben mit Wachstum, Fortpflanzung und damit mit dem
Überleben zu tun. Ostern ist geradezu die Anbetung der Fruchtbarkeit. Deren bekanntestes Symbol ist das
Ei.
Da Ei - Ursprung der Welt? Seit eh und je faszinierte es die Menschen
in aller Welt. Selbst scheinbar leblos, entschlüpft ihm nach kurzer Zeit neues Leben. Manche Religionen
sehen im Ei sogar den Ursprung der Welt. Das Osterei ist nicht nur ein fester Bestandteil der österlichen
Küche - vom Bratei bis zum Solei. Es wird auch als
Glücksbringer vergraben, in den frisch gesäten Acker eingepflügt, in die Schalen auf dem Hof und in den
Stallungen verteilt, damit Pflanzen und Tiere prächtig gedeihen können. Kunstvoll verzierte Eier schmücken
zudem seit Jahrhunderten die Ostertafeln. In Mähren werden sie mit filigranen Strohmustern beklebt, in der
Gegend von Hoyerswerda kratzt man mit feinen Nadeln kirchliche Motive und Pflanzenbilder in die zuvor
eingefärbte Eierschale oder färbt bunte Muster mit Batikfarben auf das Ei. Beeindruckend sind die
Ostereier aus Hessen: Mit einer Wachs-Batik-Technik werden sie nicht nur
verziert, sondern auch beschriftet. Segens- und Glückwünsche finden
hier Platz auf der kleinen Schale. Die wertvollsten Eier fertigte übrigens der russische Hofjuwelier Faberg#
für die zarenfamilie.
Statt Batikfarbe nahm er Gold und Emaille, statt Stroh die edelsten Steine. Im Innern der Faberg#-Eier
wartete immer eine Überraschung
auf die Zarenfamilie: Mal ein Küken mit einer Miniaturkrone auf dem
Haupt, mal die goldene Nachbildung einer Königskutsche.
Osterhase & Co. Zwar ist der Osterhase al sÜberbringer der österlichen Gaben unangefochtene Nr. 1
geworden. Doch hat er nach wie vor in manchem Winkel der Republik auch Konkurren. So wie er selbst -
dessen Vermehrung sprichwörtlich geworden ist - stehen auch
seine Mitstreiter für Fruchtbarkeit: der Hahn in Westböhmen, dem
Egerland, in Oberbayern, Österreich sowie stellenweise in Thüringen und Schleswig-Holstein. In der Röhn
ist es Gevatter Storch; im
Braunschweiger Land, der Altmark, der Schweiz und in Siebenbürgen teilen sich Kuckuck, Kranich und
Aürhahn die Arbeit. Der Fuchs bringt die Eier in Ravensbrug, Lippe Nord, Westfalen und hannover. In Fulda
ist es gar ein Esel - der Palmesel am Palmsonntag. Die
Fruchtbarkeit der Hasen steht zu Ostern nich tmehr hoch im Kurs. Sie hat sich aber in anderen
Zusammenhängen gehalten: Ski- oder
Sex-Häschen sind häufige Vokabeln in der Welt der Erotik.
Osterspiele: Zum Osterfest gehören auch die traditionallen Spiele.
Neben dem heute noch in Haus, Garten und freier Natur üblichen Eiersuchen sind es an erster Stelle die
Eierspiel. Beim Eierlaufen muss man rohe Eier auf Teelöffeln balancieren und dabei eine vorbestimmte
Strecke zurücklegen. Das Eierrollen erfordert mehr Glück als Geschick: Die Eier werden einen Abhang
heruntergerollt.
Wessen Ei am weitesten rollt und am wenigsten beschädigt ist, hat gewonnen. In ganz D. kennt man das
Eierticken: Dabei werden die Eier
an ihren Spitzen oder stumpfen Enden zusammengestossen. Wessen Ei als letztes zerbricht, ist Sieger.
Es werden aber auch Ball- und
Orientierungsspiele gespielt.
Osterfeuer: Osterfeuer sind eine Sache der Nordlichter. In
Süddeutschland haben sie keine Tradition. In NIdersachsen, dem nördlichsten Rheinland, im Alten Land
und Schleswig-Holstein sind
sie fester Bestandteil der Osterbräuche. Im Hamburger Stadtteil Blankenese sind die grossen Osterfeuer
zur Attraktion geworden. Die brennenden Scheiterhaufen galten früher als Abbilder der Sonne, die nach der
Tag- und Nachtglaiche wieder die Vorherrschaft errungen hat.
Viele Traditionen und Bräuche, heitere Spiele und Basteleien sind aus unserem Osterfest verschwunden.
Statt einerfreudigen Begrüssung der hellen und fruchtbaren Monate gibt es Spielfilm-Paraden im
Fernsehen und Kalorienreiches aus der Süsswarenfabrik. Dass dies nicht so sein muss, beweisen viele
alte Bücher mit Geschichten über Ostern, Anregungen für Spiele und Basteleien. Die alten Germanen
jedenfalls liessen sich nicht lumpen und feierten den Frühlingsanfang dort, wo er geschah: in der
erwachdnen Natur, mit
einem rauschenden Fest. Heute würde man vielleicht sagen, mit einer grossen Osterparty bei Spielen,
Speis' und Trank.