Zu "Gschwellti" schmeckt er wunderbar, im Fondue ist er unentbehrlich, und superreif mit den knackigen
"Körnchen" in den Spalten ist er schlicht unwiderstehlich. Der Gruyere ist unbestrittenes "piece de
resistance" in der (West-)Schweizer
Käselandschaft.
Es klingt einleuchtend und doch wissen es nur die wenigsten: Je
nachdem, von welchen Wiesen und Weiden das Futter der Kühe stammt, schmeckt die Milch immer
wieder ein wenig anders; die typischen Kräuter und Gräser geben ihr den "Gout du terroir". Und dieser
Geschmack überträgt sich natürlich auf den Käse. Dadurch schmeckt Fribourger Gruyere nicht wie
derjenige aus dem Waadtland oder Neuenburg, und der Gruyere aus dem Jura oder dem Bernischen weist
nochmals Nuancen auf, die dem wirklichen Kenner nicht entgehen.
Der Gruyere zählt zu den Hartkäsesorten, die aus frischer und silofreier Rohmilch hergestellt werden. Das
schränkt die Produktionszeit des vollfetten Käses (fünfundvierzig bis neunundvierzig Prozent Fett i.Tr.)
vorab auf die Sommermonate ein.
Sein Gehalt an Milchfett macht ihn fein im Geschmack und zart im Teig, irgendwie milchig. Benötigt
werden für einen üblichen fünfunddreissig-kg-Laib etwa vierhundert Liter Milch. Während der
Reifung wird er regelmässig gereinigt, gewendet und mit Salzwasser abgerieben, wodurch eine
Schmierschicht auf der Rinde entsteht, die die Reifung beschleunigt und dem Käse Rasse gibt.
Nach frühestens vier bis fünf Monaten kommt er als junger Gruyere in den Verkauf und eignet sich dann am
besten für die Käseplatte und kalte Käsegerichte.
Nach rund acht bis zehn Monaten erreicht er seine erste (mittlere) Reife, ist würzig und dennoch mild, so
dass er zum Kochen seine besten Eigenschaften entwickelt, da er den Geschmack feiner Gerichte (noch)
nicht überdeckt.
Acht- bis zwölfmonatiger Gruyere hingegen ist dank seiner
Geschmeidigkeit im charaktervollen Fondue ideal, denn er zieht weniger Fäden und schmilzt leichter als in
seiner Jugend.
Eigentliche Rasse und Charakter zeigt er aber erst nach einem Jahr Lagerung im feuchtkühlen Keller bei
vierzehn bis achtzehn Grad: Er
schmeckt dann voll, pikant, leicht salzig und eignet sich durchaus auch als Hobelkäse. Für Salat und
Käseplatte stellen rezente Sorten gesuchte Spezialitäten dar, je reifer, desto besser, vorausgesetzt, dass
sie richtig chambriert werden! Optisch weist der Käseteig dann oft kleine, erbsengrosse Löcher oder kleine
Risse oder Spalten ("Gläs" genannt) auf, die - o holdes Gourmetglück! -
gelegentlich mit kleinen Eiweisskristallen belegt sind.
Ein Blick in die Käsegeschichte zeigt, dass die Ursprünge des Käseschafsens wohl in jene Zeit
zurückreichen, als unsere Vorfahren anfingen, Tiere zu zähmen und als Haus- und Nutztiere zu halten. Gut
vorstellbar, dass das haltbare Produkt Käse einem Zufall entsprang, als man Flüssigkeiten wie etwa Milch
in ausgenommenen und getrockneten Tiermägen aufbewahrte, so dass es nur einen Rückstand von Lab
(einem Magenferment des Kalbes) brauchte, um sie gerinnen zu lassen. Dass Käse auf unserem Boden
schon weit früher hergestellt wurde, als unser Staatsgebilde seine Formen annahm, stellte der griechische
Geograf Strabo vor rund 2000 Jahren fest: Er bemerkte in
einer Aufzeichnung, dass der "Caseus helveticus" bei den Römern besonders beliebt sei. Im Greyerzerland
selbst kann man die Käseherstellung bis ins Jahr 1115 zurückverfolgen. In einer Urkunde des ersten Grafen
von Greyerz wird von Zuwendungen von Käse an die Abtei von Rougemont gesprochen. Der Name
"Gruyere" wird 1602 zum ersten Mal urkundlich erwähnt - er wurde ursprünglich nur um das
Fribourger Städtchen Gruyere herum hergestellt. Damals offerierte die Regierung von Fribourg den
Delegierten der französischen Botschaft vierzehn Laibe als Geschenk.
Heute ist der beliebte Käse als "Gruyere SWITZERLAND" (mit dem bekannten Signet des Alphornbläsers
auf dem angeschnittenen Käselaib) weltweit geschützt - "Gruyere" allein ist keine
geschützte Bezeichnung, so dass der Käse dieses Namens auch im Ausland hergestellt werden kann.