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Butter bei die Stollen: Zeit ist Geschmack



Für 1 Info KÜCHEN-UNI MIT PROFESSOR DR. THOMAS VILGIS

Warum muss der Stollen nach dem Backen lagern? Welche Rolle spielen Butter und Zucker? Und hätten Sie gedacht, dass Hefe Wind(e) erzeugt? Ein Lektion in Teigwissenschaft Ja, ist denn schon wieder Weihnachten? Tatsächlich, und somit wird es allerhöchste Zeit, Weihnachtsstollen zu backen. Denn dieses geschmacklich kaum zu übertreffende Backwerk aus Hefeteig, Zucker und viel Butter braucht eine gewisse Lagerzeit. Das hat vor allem physikalische Gründe, denn das reichhaltige Geschmacksspektrum des Stollens bildet sich erst nach dem Backen. Auch seine buttrige Konsistenz entwickelt sich nur langsam. Für unsere Küchen-Uni ein Lehrbeispiel physikalischchemischer Prozesse, die nur ein Ziel haben: die Tast-, Geschmacks- und Riechsensoren aufs Höchste zu reizen. Auf den ersten Blick erscheint alles weniger kompliziert, denn die Zubereitung erinnert an ein herkömmliches Hefeteigrezept. Milch, Mehl und Hefe bilden beim Kneten jene hoch viskölastische "Flüssigkeit", deren Eigenschaften eher an weiche Gummis, Knetmasse aus Spielzeugläden oder andere polymere Materialien erinnert. Beim langsamen Ziehen lässt sich der Teig weit dehnen, beim schnellen Deformieren reißt er unmittelbar. Dies liegt vor allem an dem sich bildenden Netzwerk aus langen, stark wasserlöslichen Proteinfäden, dem Gluten, das ein Gemisch aus zwei Eiweißtypen ist. Allerdings auch an der Stärke, die zunächst in kleinen festen Körnern vorliegt. Diese Körner legen sich wie Füllstoffpartikel in das weiche Proteinnetzwerk und geben dem Teig seine hohe Stabilität, Elastizität und Formbarkeit. Die Hefe "frisst" Zucker und "pupst" Kohlendioxid, dessen Bläschen eine feinporige Krumenstruktur erzeugen, die sich zwischen Mandeln, Orangeat und Zitronat bildet. Während des Backens, also bei höherer Temperatur, lösen sich einige Stärkemoleküle aus den Körnern, die sich miteinander verbinden, und die Stärke verkleistert. Soweit die Teigwissenschaft.

Aber welche Rolle spielt die Butter? Der originale Dresdner Stollen enthält viel Butter, das ist schon beim ersten Bissen zu schmecken. Dies hat vor allem seinen Grund in der Nachbehandlung des Stollens. Durch den Schmierstoff Butter bzw. deren Fett wird der gebackene Teig sehr geschmeidig. Allerdings wird unmittelbar nach dem Backen der noch warme Stollen mit einer Extraration flüssiger Butter bestrichen, was neben geschmacklichen auch physikalisch-chemische Gründe hat. Das Fett der Butter löst die meisten der Aromen, die während des Backens bei der Bräunung der Oberfläche entstehen, und hindert diese am Abdampfen. Das aromatisierte Fett wandert (auf Physik- Deutsch: diffundiert) dann gemächlich in das poröse Innere, durchtränkt die Krume und transportiert dabei die aus der braunen Backkruste gelösten Aromen durch den Stollen. Dabei verteilen sich die fettlöslichen Moleküle auf Rosinen, dem Orangeat und Zitronat und nisten sich natürlich auch in dem Butterfett in der Krume ein. Darum wird das Bepinseln mit flüssiger Butter nach einer gewissen Ruhezeit sogar wiederholt, und erst dann darf der Stollen großzügig mit Puderzucker bestäubt werden. Diese Zuckerschicht ist ein wirksamer Aromaschutz, denn sie hindert die fettliebenden Geschmacksstoffe am Entfleuchen. Da Zucker selbst wasserlöslich ist und ein wenig Feuchtigkeit aus der Krume zieht, bildet diese Schicht für fettlösliche Aromen eine unüberwindliche Barriere. Die Kombi aus Fett und Zucker ist daher der beste Garant für langen Stollengenuss und hohe Haltbarkeit.

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Stollen, Xmas

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