Keine Angabe
Es tritt auf: Die Fenchelknolle
Für
1
Rezept
Salate stehen in der Beliebtheitsskala deutscher Esser wahrscheinlich an erster Stelle. Das verbindet uns
mit den Amerikanern, für die Salat so etwas wie ein Ablass von den Big-Mac-
Sünden bedeutet. Den Italienern geht es ähnlich. Sie wollen mit Salat die Nudelberge aus dem Bauch
schaffen, allerdings tun sie es halbherzig. Man sieht es an der lieblosen Art, wie sie das Grünzeug
zubereiten. Für Franzosen scheint Salat hingegen ein Kunstwerk zu sein, auf dessen Zubereitung sie so
große Mühe verwenden, dass sich die wenigsten die Tischkunst leisten können.
In unseren Küchen hält man Salate einerseits für gesundheitsfördernd und bemüht sich andererseits, ihnen
eine gewisse Verfeinerung mitzugeben. Dass sie Ersteres nicht sind, kann man aktuellen Umweltberichten
entnehmen, und dass Letzteres nicht gelingt, liegt an der Genügsamkeit deutscher Esser: Sie platzieren
Tomatenscheiben,
Basilikumblätter und Mozzarellascheiben auf Teller und brechen bei diesem rot-weiß-grünen Anblick in
Begeisterungsschreie aus. Dabei
schmeckt der handelsübliche Mozzarella nach gar nichts, die Tomaten vermitteln das übliche Gähnen,
während Basilikum aus der Gärtnerei sich kaum von Spinat unterscheidet. Aber diese bunten Teller werden
Jahr für Jahr millionenfach serviert und gelten zu Hause als Inbegriff der leckeren Sommerküche. Nicht
einmal bei der Wahl des Olivenöls hat sich der Konsument bisher als Kenner erwiesen. Aber soll deshalb
hier gänzlich auf Salat verzichtet werden? Natürlich nicht. Deshalb folgt das Rezept einer gewissen, mir
gut bekannten Gärtnerin, die ihre Gäste mit diesem Fenchelsalat begeistert: Von 3 mittelgroßen
Fenchelknollen entfernt sie alle
unansehnlichen Stellen, halbiert die Knollen und schneidet den Strunk heraus. Dann werden die Knollen
auf dem Gemüsehobel in nicht zu feine Stücke geraspelt. In einer großen, flachen Schüssel vermischen wir
1/2 Tasse sehr fruchtiges Olivenöl mit Pfeffer & Salz, dem Saft von 1 1/2 Zitronen und je 10 entkernten
grünen und schwarzen Oliven, deren Fleisch wir klein schneiden.
Selbstverständlich kaufe ich keine fertig entsteinten Oliven, schließlich wird die beste Sorte, das sind die
schrumpeligen schwarzen, in unserer Nachbarschaft, in Nyons, geerntet. Etwas fein gehacktes
Koriandergrün oder Petersilie (je nachdem, ob jemand am Tisch sitzt, der Koriander nicht mag) kommen
auch dazu und dann die Fenchelstücke. Diese Rohkostschüssel scheint einfach herzustellen sein. Aber
wenn sie nicht perfekt gewürzt ist, ergibt sie wieder mal nur eine nach Gesundheit schmeckende
Langeweile. Die Wahl des Olivenöls ist dabei ungeheuer wichtig. Es sollte ein sehr fruchtiges (très fruité)
sein, wie es die Ölmühle in Maussane in so unvergleichlicher Qualität herstellt, dass die Produktion bereits
im Sommer ausverkauft ist. Hauptkunden sind die Spitzenköche des Landes.
Abschließend füge ich noch Käse hinzu, und zwar die provenzalische Spezialität, Picodon. Das sind
kleine, runde Ziegenkäse, die mit zunehmender Reife immer trockener und schärfer werden. Davon werden
zwei entrindet und sehr dünn über den Fenchelsalat gehobelt, wodurch dieser endlich so schmeckt, wie ich
mir einen südlichen Salat vorstelle.
Und selbstverständlich trinke ich dazu einen Wein, vorzugsweise einen Vin Jaune, einen sherryähnlichen
Weißwein, für den ich eine Vorliebe habe, die nicht von allen meinen Gästen geteilt wird.
Mehr Fenchel verlangt ein anderes, sommerliches Rezept, die »Prinzessin Fenchelherz«. Bei der
Prinzessin handelt es sich um eine 1 Kilo schwere Dorade, welche von Fenchelherzen umringt ist. Für
ihren Auftritt präpariere ich 12 bis 15 Fenchelknollen, indem ich die nicht mehr ganz frischen Außenhäute
abschäle und an beiden Enden die Wurzel- und Stielansätze wegschneide. Danach werden die kleiner
gewordenen Knollen halbiert und in gesalzenem Zitronenwasser zirka 30 Minuten gekocht. Damit sie
überhaupt Geschmack annehmen, muss das Kochwasser stark gewürzt sein! Wenn sie gar sind, die
Fenchelherzen auf ein Küchentuch ablegen. Während sie kochten, habe ich auf dem Schaumlöffel vier
dicke Tomaten ins kochende Wasser gehalten, sie enthäutet, halbiert, entkernt und in kleine Stücke
geschnitten; so entsteht Tomatenkonkassee.
Nun zur Dorade. Sie ist der Mittelmeerfisch schlechthin. Ich tupfe sie mit Küchenkrepp trocken und salze
sie von innen. In ihren leeren Bauch lege ich außerdem 1 Lorbeerblatt und 1 Zweig Thymian. Dann bette ich
den Fisch in eine feuerfeste, ovale Form und platziere die Fenchelherzen um ihn herum. Sie werden, wie
auch der Fisch, noch einmal gesalzen. Obenauf, über Fisch und Fenchel, verteile ich die
Tomatenstückchen und gieße über alles eine große Portion kräftiges Olivenöl.
Da keine weiteren Kräuter oder Gewürze zur Dorade kommen, muss sie und müssen die Fenchelherzen
jetzt schon ihren endgültigen Geschmack haben. Also ist ein bisschen Feinarbeit notwendig, damit ich
nach 30 Minuten nicht ein uninteressant gewürztes Gericht aus dem Ofen ziehe.
Dort hinein wird die Form nämlich geschoben und bei zirka 200 Grad eine halbe Stunde gegart. Eine
abschließende Aromadusche verpasse ich der Prinzessin und ihren Fenchelherzen, wenn alles gar ist: Ich
begieße sie mit dem Saft von 1 bis 2 Zitronen. Dadurch fällt es nicht auf, dass ich vergessen habe, 2 oder
3 Knoblauchzehen auf das Tomatenkonkassee zu pressen.
Da wir nun schon mal bei den Fischen angekommen sind, soll hier ein Rezept für die berühmte
Bouillabaisse folgen. Sie ist nichts anderes als eine ziemlich einfache Fischsuppe, in der einige
Fischstücke schwimmen. Diese Fischstücke haben die Aufgabe, die Suppe kostbar aussehen zu lassen;
außerdem sorgen sie dafür, dass die Esser satt werden.
Die Herstellung einer Bouillabaisse geschieht in zwei Etappen, deren erste eine ziemlich wüste
Angelegenheit ist. Dazu brauche ich vor allem einen guten Fischhändler, der neben den Edelfischen auch
Kleinzeug aus dem Mittelmeer anbietet. Das sind jene Fische, die sich im Schutz der Felsen tummeln,
unter anderem Drachenkopf, Seeaal, Weißling und viele ähnlich unansehnliche Exemplare, mit der die
normale Hausfrau nichts anfangen kann. Auch ein Fischkopf und die Haut einer Seezunge ist zu
gebrauchen. Davon benötige ich viel, 1 Kilo mindestens, wenn es für 4 Personen reichen soll.
Nicht zu gebrauchen sind Makrelen, Heringe, Rougets, Sardinen, Anchovis, Aale und alle Flussfische. Sie
verbreiten zum Teil bittere oder tranige Aromen oder haben überhaupt keinen Geschmack. Denn diese
Fischversammlung ist nur dazu da, Geschmack an die Suppe zu bringen. Im Verlaufe der
Suppenherstellung werden sie ausgequetscht und weggeworfen.
Bis es so weit ist, geschieht Folgendes: In einem großen, schweren
Topf werden in 1/2 Tasse Olivenöl gleichzeitig all die Billigfische angebraten, welche vorher brutal zerhackt
wurden, sowie 2 große Zwiebeln, 1 große Karotte, beide in Scheiben geschnitten, 1 Zweig Stangensellerie,
4 geviertelte Tomaten, 5 zerdrückte Knoblauchzehen und noch 1 Zweig Thymian hier und 1 Lorbeerblatt
dort.
Die vagen Angaben über die Art der Fische sollten Sie nicht beunruhigen. Denn wieder einmal gilt hier die
von mir geliebte Küchenregel: Es kommt nicht drauf an! Natürlich ist eine mittelgroße
Rascasse (Drachenkopf) besser als 500 Gramm anonyme Kleinfische, aber die Suppe wird in jedem Fall
lecker. Wenn das Gemüse-Fisch-
Gesindel genügend angeschwitzt ist (darf nicht braun werden!), bitte 1 großes Glas trockenen Weißwein
angießen. Diesen ziemlich verkochen lassen und dann mit 1 1/2 Liter Wasser aufgießen. Mit Meersalz und
Cayenne würzen. Kochen lassen, bis alles matschig ist.
Das ist der Moment, wo die Bouillabaisse entsteht. Denn nun wird alles, Gemüse, Fischstücke, Köpfe,
Gräten, durchpassiert. Wie und womit, das hängt von der Ausrüstung Ihrer Küche ab. Ein großes, stabiles
Sieb kann genügen, aber eine Flotte Lotte erfüllt auch ihren Zweck. Jedenfalls entsteht so eine leicht
sämige Fischsuppe, die jetzt zum ersten Mal richtig gewürzt wird. Und zwar mit reichlich Safranpulver,
Cayenne, Tomatenmark, 1 TL (oder 2 TL) abgeriebene Orangenschale, 1 TL Pastis (etwa Pernod), sowie
1/2 TL Currypulver. Sollte die Fischsuppe, die da entsteht, zu dünn sein (dünn in der Konsistenz wie auch
geschmacklich), so war das Verhältnis von Fisch zu Wasser nicht optimal. Da hilft simples Einkochen
ganz wunderbar.
Ist alles recht geraten, wird hinzugefügt, was die Bouillabaisse so spektakulär macht: sauber präparierte
Stücke von verschiedenen
Edelfischen. Also Dorade, Steinbutt, Seewolf, Seeteufel, Sankt Petersfisch, Meerbrasse und was der
Händler sonst vorrätig hat. Die dürfen auch in Form von Filets in die Suppe. Nur Lachs darf überhaupt nicht,
und ob Garnelen, Hummer und dergleichen in die Suppe kommen, ist mehr eine Frage des Stils als des
Geschmacks.
Wichtig ist nur, die Garzeiten der Einlagen zu beachten! Ein Seeteufel braucht fast doppelt so lange wie
eine Brasse, es soll aber kein Fisch trocken sein und zerfallen, wenn man ihn sich auf den Teller packt,
bevor er mit der Suppe übergossen wird. Man kann selbstverständlich alle Edelfische weglassen, und es
bleibt immer noch eine vorzügliche Fischsuppe übrig. Die kann man mit gerösteten Brotwürfeln dekorieren,
welche mit frischen Knoblauchzehen abgerieben wurden. Traditionellerweise isst man am Mittelmeer die
Fischsuppe mit Rouille, das ist eine mit Cayenne scharf gepfefferte Knoblauchmayonnaise, die den Vorzug
hat, hinreißend zu schmecken und die Bäuche unerfahrener Touristen grandios zu blähen. Unvergesslich!
Man muss dazu keinen Rosé trinken. Wer im Leben schon unterschiedliche Weine getrunken hat, verfällt
diesem Touristentrost sowieso nicht.
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