Italiener reden nicht oft über Rebsorten. Das haben sie mit anderen romanischen Winzern gemeinsam -
und auch bei uns war das bis vor 100
Jahren ja so, dass die Rebsorten in der Vermarktung kaum eine Rolle spielten. Beispiel Südtirol. Dort gibt
es Weine mit bekannten Namen wie Kalterer See oder St. Magdalener. Und lange Zeit sind darin neben der
Haupt-Rebsorte "Vernatsch" (das ist nicht anderes ist als der
Trollinger mit anderem Namen) auch Trauben der Rebsorte Lagrein verarbeitet worden. So ist diese Rebe
kaum populär geworden, obwohl sie schon 1370 in Urkunden Karls des Vierten als einer der besten
Bozener Weine erwähnt wurde und seit dem 17. Jahrhundert schon den Winzern selbst als besondere
Rebe bekannt war. Im Kloster Muri bei Bozen wird sie namentlich erwähnt. Wahrscheinlich hat sie ihren
Namen vom Lagarina-Tal aus dem sie stammen soll. Sie dürfte die
älteste typisch Südtiroler Rebsorte sein.
Über lange Zeit hat der Lagrein den Massenweinen der Region, die vom Vernatsch beherrscht werden, ein
bisschen Rückgrat und Substanz gegeben. Und bestenfalls ist sie als Rosé vermarktet worden. Das erste
Produkt mit Rebsortenangabe war der Lagrein Kretzer. Erst in den 80ern und vor allem dem 90ern ist in
vielen Regionen Europas das Interesse an den alten einheimischen (autochtonen) Sorten wieder
gewachsen. Quasi als Reaktion auf die Verbreitung der Welt-Weinsorten
wie Chardonnay und Cabernet Sauvignon. Und auch beim Lagrein haben die Winzer ausgelotet, was
wirklich in diesen Trauben drin steckt. So ist - dank Ertragsbeschränkung, Qualitätsmanagement und vor
allem
Ausbau im kleinen Eichenfass, dem Barrique - ein rebsortenreiner
Rotwein entstanden, der Lagrein Scuro oder Lagrein Dunkel. Und tatsächlich ist das ein tiefroter
körperreicher, kräftiger Wein, der weiche Gerbstoffe mitbringt, wenig Säure und der würzig schmeckt. Er ist
mundfüllend und doch früh zugänglich. Ein Duft nach Veilchen und Brombeeren erinnert an die Rebsorte
Syrah (die an der Rhone wächst). Manche Rebforscher meinen, dass die beiden auch verwandt sind.
Bewiesen ist eine solche Verwandtschaft übrigens mit dem Teroldego, einer zweiten südtiroler Sorte, die
auch diesen charakteristischen Duft hat (der übrigens leicht auch an Teer erinnert oder mit Lakritz
beschrieben wird).
Seit die Winzer den Lagrein in dieser dichten, stoffigen Art herstellen, hat er beachtliche Anerkennung
gefunden. Seit 1997 vergibt der Gambero Rosso, Italiens prominentester Weinführer, für solche Weine drei
Sterne, die Höchstwertung.
Wenn der Wein mindestens zwei Jahre im Fass ausgebaut wurde, dann darf er die Bezeichnung Riserva
tragen.
Heute sind gut 300 Ha mit dieser Rebsorte bepflanzt - weit
überwiegend im Bozener Talkessel.
Die Rotweine halten sich 4-5 Jahre, der Kretzer will wie alle Rosés
jung getrunken werden.