Die Weinlandschaft Rheingau liegt am Südrand des Taunus, zwischen Rüdesheim und Wiesbaden. An
jener Stelle, an der der Rhein seinen Lauf für etwa 30 Kilometer nach Westen verschiebt, vor dem
Durchbruch durch die Mittelgebirge. Dadurch erst sind jene Südlagen entstanden, die den Ruhm des
Rheingaus begründen. Etwa 3000 Ha Rebflächen sind zu fast 80% mit Riesling bestockt.
Angeblich soll Karl der Grosse selbst die ersten Weinberge angelegt haben. Als er von seiner Pfalz in
Ingelheim auf die andere Rheinseite blickte und beobachtete, dass dort der Schnee im Frühjahr viel
schneller schmolz. Aber vor allem hat dieses Gebiet zwei historische Verdienste: 1) den rebsortenreinen
Anbau und 2) die Spätlese
erfunden zu haben.
Über Jahrhunderte war es üblich, dass man im Weinberg einen gemischten Satz anbaute, das heisst es
gab etwas Riesling, Silvaner, Traminer, usw. Im Jahre 1725 jedoch wurde auf Schloss Johannisberg der
erste reinsortige mit Riesling angebaut. Ebenfalls wurde dort 50 Jahre später der erste edelsüsse Wein
gewonnen. Zur damaligen Zeit brauchten die Weingüter eine Genehmigung des Erzbischofs aus Fulda,
bevor sie mit der Lese beginnen durften. Angeblich traf 1775 zur Erntezeit der Ritter mit der Genehmigung
zur Lese nicht rechtzeitig ein. Die Trauben wurden damals von einem Schimmelpilz (Botrytis Cinerea)
befallen und schrumpelten ein. Man wähnte schon alles verloren. Dennoch fasste sich der Kellermeister ein
Herz und presste die eingeschrumpelten Trauben nach dem Eintreffen des Ritters. Heraus kam damals ein
goldener Wein, süss und mit betörenden Aromen. Seit diesem Zeitpunkt wurden die Rieslinge gerne
edelsüss ausgebaut. Bei der Entwicklung des Weinbaus in dieser Region spielten die Mönche vielleicht
noch eine bedeutendere Rollen als an anderen Orten.
Benediktiner und Zisterzienzer auf Johannisberg und Kloster Eberbau etwa. Vielleicht gibt es noch eine
dritte Morgengabe des Rheingau an die gesamte Republik: das Systeme der Prädikatsweine mit Begriffen
wie Kabinett, Spätlese, Auslese, das lehnt sich an die interne Einteilung der Weine auf Schloss
Johannisberg an. Allerdings hat das Gesetz dies sehr viel formalistischer getan als die Kellermeister im
Weingut, was dieses System leider entwertet hat.
Bis Anfang des 19. Jahrhunderts - als deutscher Wein führend in der
Welt war - wurde er mit dem Rheingau gleichgesetzt. Das britische
Königshaus kaufte seinen Weine in Hochheim am Main, dem östlichen Ausläufer des Rheingaus und der
Name des Ortes, verballhornt als "Hock" wurde zum Begriff für deutschen Wein schlechthin.
Die zweite Rebe des Rheingaus ist - in Assmannshausen - der
Spätburgunder. Sonstige Sorten spielen praktisch keine Rolle. Die Winzer im Rheingau sind aber auch
gegenüber Neuerungen offen. Sie waren die ersten, die ein Konzept für "Erste Gewächse" entwickelt hatten
(seit 1999). Weine mit geringen Erträgen aus den besten Lagen, die trocken bis halbtrocken schmecken
und eine Auswahlprüfung überstanden haben. Auch wenn nicht jeder Weintester findet, dass die Weine
ihrem Anspruch gerecht werden: das war der erste Ansatz, das
Terroir, den Ursprung der Weine wieder zu betonen und nicht nur auf hohe Zuckerwerte zu starren.
Der Rheingau hat eine grosse Tradition Wein zu exportieren -
verkörpert durch historische Häuser wie Schloss Johannisberg oder Kloster Eberbach - heute stehen aber
sicherlich Erzeuger wie Robert
Weil (überwiegend im Besitz ausländischer Investoren), Georg Breuer, Peter-Jakob Kühn, Leitz, Spreitzer,
Querbach oder Joachim
Flick zu den Spitzen. Es bewegt sich immer wieder etwas. Das Gebiet ist - wie der gesamte deutsche
Weinbau - in einem dynamischen
Entwicklungsprozess. Ungewöhnlich ist es sicher auch, dass hier 60% der Weine in der Flasche verkauft
werden. Gut 400 Winzer in der Region leben vom Wein, noch einmal 350 arbeiten im Nebenerwerb.
Die Rheingaür Weine sind gehaltvoller als Moselrieslinge. Es gibt aber durchaus parallele Entwicklungen:
in der Mitte des 20.
Jahrhunderts hat man versucht, hohe Säurewerte durch viel Süsse zu kaschieren. Als trocken wieder
moderner wurde, waren die Weine dann zunächst schlicht sauer. Erst im Lauf der Jahre lernten die Winzer
wieder auf die Reife zu achten. In jüngerer Zeit wird oft wieder mit einem Rest Süsse gearbeitet, um die
Weine noch schmelzender und süffiger zu machen.
Die süssen und edelsüssen Varianten sind oft überwältigend, der Markt dafür ist aber klein. Nur wer hier
weltweit verkauft, kann davon leben.