Württemberg ist nicht wie andere deutschen Weinanbaugebiete. Jede vierte von fünf Flaschen Wein wird
von den Schwaben selbst getrunken. Es ist das Gebiet mit der grössten Rotweinerzeugung und etwa 90%
der gesamten Menge werden von den Weingärtnergenossenschaften angeboten. Das sind allesamt
ungewöhnliche Zustände. Nicht zum Schaden der Wengerter (so heissen die Winzer dort) übrigens, denn
sie erzielen höhere Preise als die meisten Kollegen in Deutschland.
Die Württemberger Weine wachsen in den Tälern des Neckars und seiner Nebenflüsse zwischen
Reutlingen und Bad Mergentheim mit Zentren rund um Stuttgart und Heilbronn. Die Rebfläche ist mit
11.100 ha etwa so gross wie die an der Mosel und etwa halb so gross wie in der Pfalz.
Rund 2/3 der Weinberge sind Steillagen. Die Böden bestehen in der Hauptsache aus Keuper und
Muschelkalk und geben dem Württemberger in vielen Fällen das typische "Bodengefährtle", einen erdigen
Ton.
Rebsorten: Die Roten dominieren. Sie fast zwei Drittel der
Rebfläche. Und da ist es wiederum der Trollinger, der den Ton angibt (23% der gesamten Fläche). Nun ist
der Trollinger allerdings eine Sorte, die relativ hohe Erträge und oft dünne und farblose Weine bringt.
Deshalb ist er in fast allen anderen deutschen Regionen ausgerissen worden. (In der Pfalz war er z.B. auch
als "Hammelshoden" früher weit verbreitet.) Dann kommt der ebenfalls reichtragende Schwarzriesling
(16%). Das grössere Potential für gute Weine steckt aber sicherlich im Lemberger (9%) und dem
Spätburgunder samt seinen Spielarten Frühburgunder (Clevner) und Samtrot (zusammen 3%). Bei den
Weissen liegt der Riesling vorne (23%), dahinter die württemberger Neuzüchtung Kerner (7%).
Die Württemberger und der Wein: Die Würtemberger sind eng mit ihrem
Wein verbunden. Das liegt zum einen daran, dass mehr als 5000 von ihnen selbst welchen produzieren: sie
sind überwiegend
Nebenerwerbswinzer, haben längst eine Arbeit in der Industrie gefunden, bewirtschaften aber die ererbten
Reben - mehr oder minder
als Hobby - weiter. Sie haben sich früh zu Genossenschaften
zusammengeschlossen, weil man eben so nebenher nicht auch noch den Wein ausbauen und verkaufen
kann. Aber auch die Nichtwinzer haben eine besondere Beziehung zum Wein aus der Region. Hier wird mit
40 Litern pro Kopf und Jahr fast doppelt so viel getrunken, wie im Bundesdurchschnitt.
Sitten und Gebräuche: Die Württemberger trinken keinen Wein, sie
schlotzen Viertele. Die typischen Henkel-Humpen aus denen sie das tun,
erlauben kaum einen verfeinerten Geschmackseindruck. Vielleicht hat auch das (ähnlich wie die
Schoppenkultur in der Pfalz) eine breite Basis an einfachen Alltagsweinen gesichert. Die werden übrigens
nicht nur zuhause getrunken, sondern gerne auch im Ausschank bei den Winzern selbst, der hier "Besen"
genannt wird. Angesichts der Veränderungen auf dem Weinmarkt wissen aber auch die Weinmacher hier,
dass die Viertele-Kultur weder Renomee noch Absatzmärkte
ausserhalb des Anbaugebiets fördert. Und mitlerweile gibt es deshalb auch äusserst feine Weine, die auch
im geeigneten Glas einen guten Eindruck machen.
Besonderheiten: Württemberger kommen oft ohne die klassischen
Geschmacksbezeichnungen aus. Die Einheimischen selbst wollen gerne glauben, sie tränken einen
Trockenen. Aber meistens bewegen sich auch die Rotweine eher im halbtrockenen Bereich wenn nichts
anderes ausdrücklich deklariert ist. Populär ist auch ein Verschnitt von Trollinger und Lemberger. Wobei
letzterer dem ersteren sowohl farblich als auch geschmacklich ein wenig auf die Sprünge helfen soll.
Möglicherweise diese Tradition hat dazu geführt, dass die Württemberger relativ früh auch bei den
hochwertigen Weinen Cuv#es hergestellt haben. Dabei sind einige brilliante Tropfen entstanden, die auch
dank ihrer exotischen Namensgebung viel Beachtung gefunden haben ("ex flammis Orior", "Granat",
"Grandor"). Schliesslich dürfen in der Region auch weisse und rote Trauben werden zusammen gekeltert:
das Weinrecht lässt das beim sogenannten Schillerwein ausdrücklich zu.