_Alter und Herkunft_ Im Allgemeinen leben Rebanlagen in Deutschland kaum mehr als 20, 25 Jahre.
Jedenfalls hat man sie in den vergangenen Jahrzehnten herausgerissen, wenn sie nicht mehr den
maximalen Ertrag geliefert haben. So langsam setzt aber hier Umdenken ein: alte Reben bringen
nämlich tendenziell bessere Weine.
Um das Prädikat "ältester Weinstock der Welt" wird gestritten. Im allgemeinen gilt die Rebe von Hampton
Court Palace bei London als älteste verbürgte. Sie wurde 1769 gepflanzt und trägt noch heute (unter Glas)
Trauben. Allerdings sollen auch in Deutschlands ältestem Weinberg am Ortsausgang von Rohdt unter
Rietburg einzelne Stöcke aus der Erstanlage stammen. Sie wären dann älter. Diese knorrigen, schweren
Reben sind beeindruckend und stellenweise so dick, dass man sie mit beiden Händen nicht umfassen
kann.
_Lebensverlauf eines Rebstockes_ In den ersten drei Jahren bilden die Reben ihre Form aus. Sie tragen
dann nur wenig und gute Winzer schneiden dann noch viele Trauben ab, damit der Stock selbst erst einmal
Kraft sammeln kann. In diesem Jahr z.B. haben junge Reben, die schon zu viele Trauben angesetzt hatten,
extrem unter der Trockenheit gelitten. Die Vorschriften der meisten französischen AOC- (Qualitätswein-)
Regionen schliessen die Weine
von Reben unter drei Jahren von der Produktion aus. In Deutschland gibt es allerdings die sogenannten
"Jungfern-Weine" dabei werden
gerade Weine aus dem ersten Ertrag einer Anlage aufgewertet.
Ab dem vierten Jahr etwa hat die Rebe dann ihre volle Grösse und ihre normale Wachstumsrate erreicht.
Sie bringt dann auch vollen Ertrag.
Erst nach etwa 20 Ertragsjahren lassen Wachstum und Traubenproduktion nach. Und Reben jenseits der
50 bringen in der Regel nur noch so wenige Trauben, dass sie als unwirtschaftlich gelten.
_Je älter - je besser?_
Viele Winzer und Weintrinker schwören aber darauf, dass Weine älterer Anlagen besser seien. Die übliche
Erklärung dafür ist schlicht und einfach: gerade weil sie geringere Erträge liefern,
greift die Menge-Güte-Relation. Während Reben zu ihren besten
Zeiten mühsam im Ertrag reduziert werden müssen (oder müssten -
denn oft unterbleibt das wegen der hohen Arbeitsbelastung), bringen alte Anlagen wie von selbst weniger
Ertrag. Dazu kommt aber auch, dass die älteren Weinberge mit anderem Pflanzgut bestückt sind.
Denn auch innerhalb einer Sorte - Riesling oder Spätburgunder z.B. -
gibt es grosse Unterschieden zwischen den verschiedenen Klonen. Die Klon-Auswahl der vergangenen
Jahrzehnte war sehr bestimmt vom Ertrag,
Man hat vor allem solches Pflanzmaterial ausgewählt, das hohe Erträge garantierte. Dabei sind andere
Qualitäten auf der Strecke geblieben. Alte Anlagen haben noch alte Klone. Die müssen nicht besser sein,
aber sie können. Und schliesslich stehen gerade ältere Anlagen in manchen Regionen, in denen die
Reblaus nicht sehr verbreitet war, auf ihren eigenen Wurzeln - sie sind "wurzelecht".
_Wert einer alten Rebe_ Neue Anlagen werden in der Regel mit Unterlagsreben aufgebaut. Dabei propft
man eine Kultursorte auf die Wurzeln von amerikanischen Wildreben, denen die Reblaus nichts anhaben
kann. Es ist zwar umstritten, aber wird immer wieder behauptet: wurzelechte Reben
brächten bessere Weine. So langsam erkennen denn auch die Winzer den Wert ihrer alten Anlagen wieder
und stellen ihre Weine auf dem Etikett sogar heraus. Da steht dann "alte Reben" oder "vielles vignes". Und
das ist als Auszeichung gemeint, für die allerdings ein höherer Preis gefordert wird. Das Problem: der
Begriff ist nicht
festgelegt. Und so kann jeder ihn benutzen, wie immer er will.