Der Weinbau ist eine einzige Abwehrschlacht. Pilze, Viren, Bakterien und Insekten, alle haben ein
grosses Interesse am Lebensraum Rebe und den heranwachsenden Trauben. Nur leider führt dieses
Interesse, wenn es übergross wird dazu, dass die Pflanze eingeht, oder zumindest die Ernte gefährdet ist.
Derzeit tobt der Sauerwurm.
Das ist ein kleiner Wurm von 1mm-1cm Länge, der die erbsengrossen
Trauben draussen jetzt anbohrt und anfrisst. Das ist nicht das schlimmste an ihm: durch die Löcher und
Verletzungen, die er
anrichtet, öffnet er den Pilzkrankheiten Tür und Tor. Vor allem der Botrytis, die in diesem Stadium zur
Sauerfäule führt. Der Sauerwurm tut das nicht aus Bösartigkeit, sondern, weil er Teil der Entwicklungskette
eines Tieres ist, das ganz auf die Rebe spezialisiert ist: des Traubenwicklers. Der ist ein Motte. Die legt
schon im Mai Eier in die Trauben ab. Aus denen schlüpfen Larven (Würmchen) die als Heuwürmer bekannt
sind. Die verpuppen sich nach relativ kurzer Zeit und jetzt im Juli entpuppen sie sich buchstäblich als
Traubenwickler. Natürlich nur, um loszufliegen und gleich wieder Eier zu legen, Eier, aus denen die
Sauerwürmer werden, mit denen wir jetzt zu tun haben.
Den Kampf gegen den Sauerwurm führen die Winzer auf verschiedene Arten.
Chemie im Grosseinsatz: mit allerlei chemischen Stoffen kann man so
kleine Tiere wie Insekten leicht tot umfallen lassen. Letztlich leiden darunter aber auch immer grosse Tiere
- bis hin zum Menschen -
mit. Deshalb werden immer mehr dieser Mittel verboten. Das berühmte E 605 etwas wird im kommenden
Jahr wohl auch in seiner letzten Form nicht mehr eingesetzt werden dürfen.
Biologische Waffen: die Natur selbst ist aber auch ziemlich
erfinderisch, was Gifte betrifft. Das Bacillus thuringiensis (Bt), ein kleines Bakterium, produziert z. B.
eines, von dem man seit fast 100 Jahren weiss. Dieses Gift wird erst im Darm der Insekten aktiviert und
löst sie entweder von innen her auf, oder macht es ihnen zumindest unmöglich weiter zu fressen. Vorteile:
Es wirkt nur
bei den "schädlichen" Insekten und lässt Nützlinge ungeschoren und ausserdem baut es sich auch noch
schnell ab. Deshalb ist es sogar im Bio-Weinbau zugelassen.
Totale Verwirrung: ziemlich neu ist eine weitere biologische Technik.
Mit ihr soll verhindert werden, dass überhaupt Sauerwürmer entstehen. Das geht freilich nur, wenn die
Traubenwickler-Motten erst
gar keine befruchteten Eier legen. Dazu dürfen die Männchen und die Weibchen sich nicht finden. Genialer
Trick: mit Sexuallockstoffen
verwirren die Winzer die Männchen so sehr, dass die ziellos umherirren und die Eier der Weibchen
unbefruchtet bleiben. Dazu hängen die Winzer kleine Ampullen mit diesen Pheromonen an die Reben.
Rund 500 je Hektar. Das funktioniert umso besser, je mehr Winzer mitmachen. In Baden-Württemberg
werden an die 8000 Ha so
unter eine Lockstoff-Glocke gesetzt, dass die Motten nicht mehr
wissen wo vorne und hinten ist. Versuche zeigen: oft gelingt es damit
den Schädling völlig unter Kontrolle zu halten und selbst in schlechten Jahren wie 1999 wird der Schaden
doch sehr deutlich (auf ein Viertel) begrenzt.
Vom richtigen Zeitpunkt: Bei allem drei Methoden gilt: um Erfolg zu
haben, muss das Richtige auch zur richtigen Zeit getan werden. Und um die zu ermitteln gibt es kleine
Leimfallen. Auch die sind mit dem Sexualhormon bestückt, das für die Motten so unwiderstehlich ist.
Sie fliegen drauf - und bleiben kleben. So weiss der Winzer, wann die
Motten fliegen und kann sich ausrechen, dass eine bis zwei Wochen später die Würmer ihr gefrässiges
Geschäft aufnehmen.
Vom Stand der Dinge: Wasser gibt es ja genug - das ist das beste, was
man derzeit sagen kann über die Entwicklung der Reben. Obwohl es für den Laien nicht so scheint: der
Sommer läuft gar nicht so
schlecht für die Reben. Zuviel Hitze und Trockenheit bremsen die Entwicklung nämlich auch. Deshalb
halten die Trauben auch einen Entwicklungsvorsprung von einer Woche gegenüber dem langjährigen Mittel.
Erbsengross sind die einzelnen Beeren jetzt. Und so wie es aussieht könnte es eher zu viel als zu wenig
Ertrag geben.