Sie waren jahrzehntelang das Aushängeschild des deutschen Weinexports: Weine mit dem schönen Titel
"Liebfraumilch". Sie haben
aber auch das Image des deutschen Weines dominiert. Und ganze Generationen von Engländern und
Amerikanern halten ihn deshalb vor allem für "cheap and sweet", für billig und süss. Die Keimzelle der
Liebfraumilch-Weine sind die Produkte aus den Weinbergen des
Kapuzinerklosters "Stiftskirche Liebfrauenkirche" in Worms (Rheinhessen). Schon 1744 wurden die als
Lieben Frauen Milch Weine urkundlich erwähnt. Diese Lage auf der - wie schon damals -
überwiegend Riesling-Reben stehen, heisst heute
"Liebfrauenstift-Kirchenstück". Dort wirtschaften nur wenige
Weingüter, wie z.B., Gutzler und P.J. Valckenberg.
Der Erfolg dieser Weine im Export war Mitte des 19. Jahrhunderts so gross, dass immer mehr Wein unter
diesem Namen verkauft wurde. Das Exporthaus Sichel machte diese Art von Wein dann zwischen den
Weltkriegen und noch einmal in den 50ern unter dem Markennamen "Blue Nun" zu einem Schlager. Andere
Unternehmen folgten.
Zeitweise wurde der überwiegende Teil des Exports als Liebfraumilch verkauft. Zu Beginn entsprachen die
Weine durchaus dem, was auch in deutschen Wirtshäusern und Haushalten ausgeschenkt wurde.
Halbtrockene, einfache Weine. Mit der Zeit jedoch entfernten sich die Exportqualitäten immer mehr vom
deutschen Markt. Sie wurden zum Ventil für Qualitäten, die zuhause nicht verkäuflich waren.
Restsüsse deckte die Mängel gnädig ab. Doch der Verfall der Qualität blieb nicht ohne Folgen. Mit
wachsendem Qualitätsbewusstsein wandten sich die Kunden weltweit von den Liebfraumilchweinen ab.
Heute entspricht nur noch jede fünfte Flasche Wein im Export diesem Geschmackstyp (ca. 5% an der
gesamten deutschen Weinproduktion).
_Der Weintyp_ Liebfraumilch ist als Typenwein im Weingesetz festgelegt. ER darf in den Gebieten
Rheinhessen, Pfalz, Rheingau und Nahe hergestellt werden, muss mindestens 70% Anteil der Rebsorten
Müller-Thurgau,
Kerner, Riesling und Silvaner enthalten und mehr als 18 Gramm Restzucker enthalten. Nach dem Gesetz
müssten die Weine die typische Frucht einer der genannten Sorten erkennen lassen. Doch das ist
interpretationsfähig. Faktisch handelt es sich um Weine in denen neben viel Müller-Thurgau, Silvaner und
Kerner auch die anderen
Neuzüchtungen untergebracht werden können, die schwer zu verkaufen sind. Auf dem Etikett darf ohnehin
keine Sorte erscheinen. Auch Lage-
oder Gemeindenamen sind verboten. Lediglich das Anbaugebiet darf genannt werden.
_Die Ausstattung_ Ausgehend von den ursprünglichen Besitzern der historischen Weinparzelle, spielten
die Nonnen bei der Vermarktung dieser Weine immer eine gewisse Rolle. Andere Marken nahmen andere
deutsche Klischees auf (bis hin zur Flaschenform, die manchmal an Kornflaschen erinnert).
_Das Ende vom Lied_ So lange dieser Weintyp als Abflusskanal für unverkäufliche Weine im Inland
funktionierte, war er den Winzern recht. Doch immer geringeres Interesse führte der Konsumenten führte zu
zunehmendem Preisdruck.
Gleichzeitig blockierte das festgefahrene Bild in den Köpfen der Briten und Amerikaner - deutscher Wein
sei eben wie Liebfraumilch -,
dass andere Typen dort Erfolg hatten. Es war ein mühsamer Weg in den vergangenen 10 Jahren.
Zunehmend aber verblasst die Erinnerung und die Welt akzeptiert, dass deutsche Weine Rebsortenweine
sind, dass sie auch trocken sein können und dass sie gut sind und etwas kosten dürfen. Selbst alte
Liebfraumilchmarken wie "Blue Nun" oder "Black Tower" sind heute juristisch keine Weine dieses Typs
mehr, sondern stehen in der Regel für Rebsortenweine - und verkaufen sich wieder
besser. Trotz der schwindenden Bedeutung des alten Zugpferds, ist der deutsche Weinexport derzeit so
erfolgreich wie nie.