Die erste Mahlzeit der Menschengeschichte bestand laut Bibel aus einem Apfel. Die Nascherei endete
mit der Vertreibung aus dem Paradies. Wie es dort aussah, weiss man nicht, es muss wohl ziemlich
langweilig gewesen sein: Weder Weine gab's noch eine feine Küche,
und ausgerechnet der Apfel war verboten. Der Apfel ist nämlich weit mehr als nur ein pausbäckiges
Bauernkind: Er schmeckt pur aus der
Hand herrlich, er bereichert die Küche ebenso wie die Pätisserie und beflügelt uns in veredelter Form,
beispielweise als Calvados.
Ein Tafelspitz ohne Apfelmeerrettich wäre nur eine fade Angelegenheit. Zu einer kross gebratenen Blutwurst
passt nichts besser als diskret karamelisierte Apfelscheiben. Das Süsssaure des Apfels und die herzhafte
Rustikalität der Wurst ergänzen sich so schön. Ein Gaumenschmaus ist die warme Apfeltorte, bei den
Franzosen "Tarte fine aux pommes" geheissen. Das leckerste Apfelgericht ist zugleich das duftigste, und
es löst Erinnerungen an die Kindheit aus: Grossmutters Bratapfel aus dem Ofenrohr. Die Rezepturen für
diesen Klassiker variieren stark, jede Familie hat ihr eigenes kleines Geheimnis. Allen Rezepten
gemeinsam ist, dass es saftige Äpfel sein sollen, solche mit frecher Säure wie beispielsweise Reinette,
Glockenapfel, Boskop, Jonagold. Es gibt Rezepte, in denen als Füllung ein Gemenge aus Butter und
Rosinen empfohlen wird.
Manche verlangen Mandeln, alternativ lassen sie geriebene Walnüsse gelten, aromatisiert mit Zimt,
Krokant und Zitronenschale. Puristen genügt eine Masse aus Butter und Zucker, befeuchtet mit etwas
Wasser, Weisswein oder Kirschwasser oder, sehr sinnig, mit Apfelwein.
Die Füllung ist eine Geschmacks-und Glaubensfrage von hohem Rang.
Wer noch nicht festgelegt ist, probiert am besten jede Tonart aus.
Wichtig ist, dass der Apfel gezuckert und die feuerfeste Auflaufform grosszügig gebuttert wird, ehe sie ins
vorgeheizte Backrohr geschoben wird. Fertig ist die süsse Pracht, wenn die Äpfel aussen knusprig und
golden geschrumpelt sind, innen müssen sie weich sein, saftig und süsslich-sauer. Meine Äpfel, die ich
von benachbarten
Bauern bekomme, sind unbehandelt. Sie haben teilweise schrundige Stellen, gelegentlich einen Wurm.
Dafür schmecken sie wunderbar saftig, frisch und herbsüss. Auch in Städten werden solche Rotbäckchen
zunehmend angeboten - ein Biss, und man schmeckt, ob es
sich um ein Stück unbehandelte Natur oder einen Prototyp mit Einheitsnorm handelt. Die rund 8.000
Apfelsorten, die noch um die Jahrhundertwende bekannt waren, sind dramatisch geschrumpft. Nur auf der
grossen Streuobstwiese des Apfelbaum-Museums in Bad Homburg gibt
es noch so delikate Raritäten wie die Rheinische Schafsnase oder die Champagner Renette.