Nehmen Sie ein Glas oder eine dickbauchige Flasche und füllen Sie sie zur hälfte mit mit verdüntem Wein
( am besten einfacher Rotwein oder auch Obstwein). Stellen Sie das Gefäss auf die Fensterbank,
möglichst Südseite denn die Essigbakterien lieben Wärme. Wenn Sie Glück haben, und das ist auf dem
Lande im Sommer und Herbst relativ wahrscheinlich, dann haben sich innerhalb von 3 bis 4 Tagen auf dem
Wein Bakterien niedergelassen. Die Übertragung kann auch durch sogenannten Essigfliegen erfolgen, die
sich vor allem in Obst oder Weingegenden meist sehr schnell einstellen, wenn Essig oder Alkohol länger
offenstehen. Schliessen Sie das Gefäss nach 3 bis vier Tagen mit einem Baumwoll oder Leinentuch ab.
Nach 2 bis 4 Wochen müsste sich Essig gebildet haben, sofern tatsächlich Essigbakterien übertragen
worden sind. Man spricht hier vom sogenannten Orleans-Verfahren, genannt nach der franszösischen Stadt
Orleans, wo
die Essigfrabrikation seit dem Mittelalter Tradition hat. Dort machte man es nicht viel anders als bei dem
hier beschriebenen Versuch. Man lies den Essig in offenen Fässern entstehen. Und da die Weinbauern in
der Gegend von Orleans Glück hatten, und durch puren Zufall einen guten Bakterienstamm erwischten,
entstand in der Gegend ein besonders wohlschmeckender Essig. Bei dem Orelans-Verfahren bildet sich
auf dem
von Essigbakterien infizierten Wein eine gallertartige Haut, die sogenannte Essigmutter. Sie besteht aus
einer Ansammlung von unzähligen Essigbakterien. Wenn nun die über die Essigbakterien steichende Luft
die Bakterien mit Sauerstoff versorgt, produzieren sie den begehretn Essig. Probieren Sie den Essig schon
in der Entstehungszeit von Zeit zu Zeit. Wenn er Ihnen schmeckt, dann sind Sie fein raus. Mit der
gewonnenen Essigmutter können Sie nämlich für längere Zeit immer wieder neuen Essig produzieren. Sie
brauchen nur die Essigmutter in leicht verdünnten Wein zu legen, aus dem die Essigbakterien dann
innerhalb von 3 Wochen wieder neuen frischen Essig produziert haben. Dabei können Sie die Essigmutter,
die ein ziemlich zähes Gelee bildet, durchaus teilen, ja Sie können Stücke davon sogar Freunden oder
Bekannten weiterschenken. In südlichen Ländern, in denen die Wein und Obstessig-Zubereitung in der
Küche
immer noch gang und gebe ist, ist eine gute Essigmutter ein sehr begehrtes Geschenk. Warum sollen wir
diese schöne Sitte nicht auch bei uns pflegen? Zum Verschenken nehmen Sie die Essigmutter vom
vertigen Essig, schneiden ein Stück davon ab und legen es in verdünnten Rotwein, den Sie in eine hübsche
Flasche füllen.
Die verschiedenen Verfahren der Essigherstellung:
Das Vertrauen, dass die in der Luft vorhandenen Essigbakterien das Geschäft der Essigherstellung schon
besorgen würden, ist gut.
Besser aber ist die wesentlich sicherere Methode, Essigbakterien direkt in den Wein zu geben. Diese
Methode wollen wier Ihnen dringend empfehlen. Zunächst aber noch kurz einen Blick auf die verschiedene
Herstellungstechniken von Essig, die Ihnen zugleich zeigen soll,warum die Do-it-jour-self-Methode der
Hobby- thek ganz erhebliche Vorteile
hat. Billige Essigsäure wird in der Industrie heute in der Regel synthetisch aus Holz hergestellt. Essig
braucht man nämlich nicht nur zum Würzen von Speisen,sondem in der chemischen Indus- trie z.B.
auch als Rohstoff in der Kunststoffproduktion. Diese Essigäure kommt in verdünnter Form als Essigessenz
in den Handel. Will man sie als normalen Haushaltsessig verwenden, dann muss man sie noch weiter bis
zu einem Säuregehalt von 5 bis 6 % weiterverdünnen. Aber von diesem Essig möchten wir doch abraten.
Wesentlich gesünder und auch besser schme- ckend ist da schon der industriell gewonnene
Gärungsessig,
der auf der Basis einer rein biologisch ablaufenden Gärung ensteht.
Wenn Sie nach dem Lesen dieses Kapitels überhaupt noch Essig einkaufen, dann achten Sie doch einmal
darauf, ob sich auf dem Etikett Hinweise wie z.B. "Gärungsessig" oder "biologische Gärung" finden. Als
Rohstoff für diesen Gärungsessig nimmt man Branndwein.
Man verdünnt ihn auf etwa 10 bis 12 %. Die Essigher- steller nennen
diese Flüssigkeit Maische, obwohl es sich hier nicht um einen Fruchtbrei wie bei der Weinherstellung
handelt. Diese Maische lässt man dann durch geeignete Essigbakterien oxidieren. Die Umwandlung der
Maische in Essig geschiet in manchen Fabriken auch heute noch in riesigen Holzfässern, die bis zu 1000
000 Liter Fassungsvermögen haben. Dazu werden die Fässer nicht etwa mit Maische gefüllt, da würden
nämlich die Essig- bakterien sehr schnell unter
Sauerstoffmangel leiden. Man füllt sie in den oberen zwei Drittel mit vielmehr mit Buchenholzspänen, über
die man die Maische ständig rieseln lässt. Zur noch besseren Sauerstoffzüfuhrung werden die Späne in
den Fässern ständig gelüftet. Dadurch haben die Bak- terien auf den Buchenholzspänen geradezu ideale
Lebensbedingungen, die sie mit ständiger Essigproduktion honorieren.
In einer grossen Hamburger Essig- fabrik konnten wier nicht nur die
grössten Holzfässer der Welt besichtigen sonder auch einige, die seit den 30er fast ununterbrochen in
Bertieb sind.