Als Tourist in Wien darf man sich neben den vielen Sehenswürdigkeiten natürlich auch die kulinarischen
Genüsse nicht entgehen lassen: ein
frisch gezapftes Bier in einem Biergarten, eine kross gebratene Haxe oder vielleicht eine Sachertorte. Aber
auf gar keinen Fall fehlen darf natürlich das Paar Wiener Würstchen! Wer sie bestellt, kann allerdings eine
Überraschung erleben, denn hier heissen sie nicht "Wiener", sondern "Frankfurter". Wiener Würstchen gibt
es in Wien nicht. Bestellt man "ein Paar Wiener" werden einem zwei panierte Schnitzel serviert! _Warum
"Frankfurter" in Wien?_ Schuld an dieser Namensverwirrung ist Johann Georg Lahner, der am 5.
Oktober 1774 in Gasseldorf geboren wurde, das heute zu Ebermannstadt in der fränkischen Schweiz
gehört. In Frankfurt am Main, wo die Original-Frankfurter bereits seit dem 16. Jahrhundert hergestellt
wurden, absolvierte er im "Worschtquartier" eine Ausbildung zum Metzger. Danach kam er nach Wien, wo
er zunächst Schwierigkeiten hatte, Fuss zu fassen. Dank einer Baronin, die ein Auge auf ihn geworfen und
ihm 300 Gulden geliehen hatte, konnte er in Wien 1804 eine Fleischerei eröffnen.
Georg Lahner wandelte schliesslich das Rezept der originalen Frankfurter Würstchen ab. Eigentlich
bestehen sie nur aus Schweinefleisch - der experimentierfreudige Metzger fügte
Rindfleisch hinzu und änderte die Würzung nach seinem Geschmack. In Frankfurt wäre das nicht erlaubt
gewesen, da zu dieser Zeit die Schweine- und Rindermetzger in deutschen Landen ganz deutlich
getrennt waren. Seine neue Wurstkreation konnte man im Mai 1805 zum ersten Mal in Lahners Geschäft
kaufen. Die Würstchen nannte er in Erinnerung an seine Ausbildungszeit "Frankfurter Wienerle" oder kurz:
"Frankfurter".
_Gesellschaftlicher Aufstieg_ Seine knackige Brühwurst brachte Metzger Lahner ein hohes Ansehen in
besten Wiener Kreisen. Es ging das Sprichwort um: "Was der Lanner
fürs Gemüt, ist der Lahner fürs Gebluet." Neben dem Walzerkönig Joseph Lanner erklärte beispielsweise
auch Johann Strauss die neuartige Wurst zu seiner Lieblingsspeise. Vor allem aber in der Wiener Hofburg
waren die Würstchen sehr beliebt - Kaiser Franz I.
von Österreich hat sie sich jeden Tag zum zweiten Frühstück bestellt. Er soll die Würstchen sogar mit der
Hand gegessen haben! Nach Lahners Tod im Jahr 1845 stellten seine Nachfahren die Würstchen bis 1967
nach seiner Originalrezeptur her und verkauften sie unter dem Namen "Frankfurter".
_Individuelle Wurstrezepte_ Auch heute noch sind die Würstchen in aller Munde, pro Jahr werden allein in
Wien ungefähr 630 Millionen Paar der schmackhaften Frankfurter verkauft. Die Grundrezeptur ist nach wie
vor die gleiche wie bei Georg Lahner: Schweinefleisch und Rindfleisch werden zu
gleichen Teilen gemischt und in Natursaitlinge abgefüllt. Die Würzung ist heute jedoch von Metzger zu
Metzger unterschiedlich, und auch das Herstellungsverfahren ist natürlich viel moderner geworden.
Anstatt mit einem Hackbeil werden die Fleischstücke mit elektronischen Cuttern zerkleinert. Ausserdem
haben die modernen Würstchen einen viel geringeren Fettanteil - dieser ist von rund 40
Prozent zu Lahners Zeiten auf nur noch 20 Prozent gesunken.
_"Frankfurter" heissen "Wiener"_ In Deutschland wird Lahners Wurstkreation als "Wiener" verkauft. Die
Bezeichnung "Frankfurter" ist hierzulande geschützt. Nur Würstchen, die im Wirtschaftsraum Frankfurt
hergestellt werden, dürfen auch "Frankfurter Würstchen" heissen. Dies entschied das Berliner
Kammergericht 1929, der Bundesgerichtshof bestätigte dieses Urteil 1955. Doch die Wiener scheren sich
nicht darum. Sie erlauben sich in Sachen Wurst sogar noch eine weitere Namensbesonderheit: Im Hotel
Sacher heissen die Würste nämlich "Sacher-Würste".