Die erste Geschichte, aus dem Burgdorfer Tagsblatt:
Über den Ursprung der beliebten Berner Platte sind etliche Geschichten im Umlauf, eine davon sei hiernach
wiedergegeben. Als 1712 die bernischen Hilfstruppen, vor allem Waadtländer, nach siegreich geschlagener
Schlacht bei Villmergen heimwärts zogen, kehrte ein Trupp im Bären in St. Niklaus bei Koppigen ein. Ein
Offizier, der kein Deutsch konnte, bedeutete dem Wirt, der kein Französisch verstand, mit wenigen Worten
und lebhaften Gesten, dass die Mannen sich mit Speise und Trank zu stärken wünschten. Der Wirt, der
sich das Begehren der müden Schar schon bei deren Eintreten hatte reimen können, verstand die Worte
des Offiziers "Bernois... sont... plat, ont faim!" auf seine Weise, nämlich "Berner... Platte..., fein!" Was
konnte Berner Platte nun anderes sein, als was ein solider Berner Landgasthof stets anzubieten hat: im
Winter Sauerkraut oder dürre
Bohnen, beladen mit Hamme, Rippli, Speck, Bauernwürsten, Siedfleisch, Zunge und Gnagi; im Sommer
tischt man zu diesen Fleisch-
und Wurstsorten duftende grüne Stangenbohnen auf. Wie Berge häuften sich all die guten Sachen auf den
grossen Platten, und die welschen Soldaten taten sich gütlich daran.
Nach dem Weggang der Soldaten konstatierte der Wirt mit Erstaunen, dass ihn ein "Welscher" hätte
belehren müssen, wie man die einheimischen Köstlichkeiten benennen müsste. Als tags darauf
einheimische Truppen im Bären Rast machten und Major Fankhauser vom Burgdorfer Bataillon mit seinen
Offizieren im Herrenstübli Platz genommen hatte, offerierte ihnen der Wirt voller Stolz seine "feine Berner
Platte".
Niemand wusste, um was es sich handelte, bis aufgetragen wurde. Nach dem Mahl soll Major Fankhauser
zu seinen äusserst zufriedenen Kameraden gesagt haben: "Zwei wichtige Dinge haben wir in jüngster
Zeit kennen- und schätzengelernt - in Villmergen die Berner Waffen
und in St. Niklaus die Berner Platte!" Die zweite Geschichte, von Alice Künzi-Mosimann:
Auf der Suche nach der ersten Berner Platte stiessen wir auf eine Geschichte, die sich vor rund 200 Jahren
zugetragen haben soll. Es war am 5. März 1798, dem Tag, an dem die französischen Truppen die Berner
bei Neuenegg besiegten und über die Sense in wilde Flucht schlugen. Dreifach waren die Franzosen in
Übermacht.
Der 5. März war aber auch der Tag, an dem Bern in die Hände der Franzosen fiel. Während die Berner
tapfer in Neuenegg kämpften, marschierten die Franzosen in die Stadt ein. Dreimal musste man die
tapferen Kämpfer von Neuenegg auffordern, endlich aufzuhören. Sie konnten es gar nicht fassen, dass der
Krieg verloren sei. In tiefstem Herzen traurig, zagen sie heimwärts.
Ein Dragoner, der auf seinem Heimritt einen Schoppen trank, meldete, dass die Wohlener auf dem Weg
nach Hause seien. Sofort beschlossen die Frauen des Dorfes, ihre Männer würdig zu empfangen und vor
allem ihnen wieder einmal eine richtige Mahlzeit aufzutischen. Sicher hätten die abgekämpften Krieger so
etwas bitter nötig. Gesagt, getan! Eine der Frauen brachte ein Hammli, eine andere ein Stück Speck, die
dritte ein paar Würste, die Metzgersfrau ein Stück Siedfleisch. Es kamen noch Rippli, Zunge und Gnagi,
eine ganze Sammlung von Köstlichkeiten aus der Beize und aus dem Rauch dazu.
Jede brachte eine Schüssel Sauerkraut, Sauerrüben oder Dörrbohnen; es war ja März und kein
Frischgemüse vorhanden.
Nun ging's ans Sieden und Kochen. Sämtliches verfügbare Kochgeschirr wurde gebraucht. Kartoffeln
wurden gleich zwei Säcke voll gekocht.
Als nun die braven Männer im Dorf eintrafen, wurden sie mit Jubel empfangen. Dabei flossen aber auch
manche Tränen, blieben doch einige auf dem Schlachtfeld zurück. Nach dem Erzählen ging man zu Tisch.
Damit jeder von seinem Fleisch etwas bekomme, wurde es fein säuberlich aufgeschnitten und auf das
Gemüse gelegt. Allen schmeckte es herrlich. Von da an hiess dieses Gericht Berner Platte.