Wie entsteht bei Wanphen Heimann ein neues Gericht? Die Spitzenköchin vom Zuercher "Sukhothai", die
von Montag bis Samstag in der Profiküche steht und keine Zeit hat für private Einkäufe, hat eine eigene
Methode: "Am Sonntag öffne ich den Kühlschrank und
muss etwas aus dem kochen, was ich finde." Eine ihrer improvisierten Köstlichkeiten ist das "Pla Khau
Mau", eines der ganz grossen Erfolgsgerichte des "Sukhothai".
Das gebratene Fischfilet in grünem Reis wirkt völlig unspektakulär, wenn es aufgetragen wird, fast wie ein
thailändisches Fischstäbchen. Doch was so einfach aussieht, ist das Resultat einer ganzen Reihe von
komplexen Küchenideen. "Jeder Bissen muss knackig-knusprig sein", sagt Heimann und erklärt: "Wenn
die
Kruste unter den Zähnen aufbricht, sollte sie einen Schwall von Aromen entlassen." Um dies möglich zu
machen, mariniert Heimann das nur sanft aromatische Fischfleisch, bevor sie es mit grünen Reiskörnern
paniert. Pfeffer, Knoblauch und Sojasauce verleihen dem Fisch würzige Aromenkraft, die den frischen
Eigengeschmack nicht totschlägt, sondern unterstützt.
Auch wenn der knusprige Fisch den Appetit anregt, würde er ohne die passende Sauce unseren Gaumen
schnell langweilen, war Wanphen Heimann von Anfang an klar. Und auch: "Ich könnte eine feurige
Chilisauce,
eine kraftvolle Currysauce oder eine einfache Ingwersauce dazu servieren." Aber die Köchin aus
Leidenschaft mochte nicht auf die bekannten Dips und Saucen zurückgreifen, die für den wirklichen
Feinschmecker banal sind.
Die Ingwersauce ging Heimann trotzdem nicht aus dem Kopf. Denn sie besitzt den kulinarischen Ansatz,
den die Küchenmeisterin suchte.
"Vor allem junger Ingwer ist ungeheuer gesund", erklärt die gebürtige Thailänderin. "Ausserdem besitzt er
einen wunderbar zarten, ja sogar sinnlichen Biss." Zufälligerweise fand sich am bewussten Sonntag eine
Dose Kokosmilch im Kühlschrank. So zauberte die Spitzenköchin daraus die frische und doch sämige
Sauce, die perfekt zum fritierten Fisch passt und die fette Knusprigkeit des grünen Reises dennoch
verdaulich macht.
"Aplati" nennt die Fachwelt den grünen Reis. "Aplati" ist ein sprachlicher Überbleibsel aus kolonialer
Vorzeit, als die Franzosen in Indochina den Ton angaben. "Aplati" stammt vom Wort aplatir und umschreibt
die Reiskörner sehr präzis: Sie sind platt gedrückt,
also "abgeflacht".
Der grüne Reis ist bis heute in spezialisierten Asienshops unter dem Namen "Aplati" zu finden. Wer das
inzwischen überaus begehrte Korn einst erfunden hat, ist jedoch unklar. Warens die Vietnamesen oder die
Thailänder? Sicher ist: Beide Länder fabrizieren das Produkt aus so
genanntem "weissem Klebreis". Dieser gart nicht nur klebrig aus, sondern pappt wie ein Brei zusammen
und schmeckt süsslich. Klebreis wird deshalb in ganz Südostasien vor allem zu Desserts verarbeitet.
Wanphen Heimanns Bündner Ehemann Gion sagt oft, die Thailänder seien das arbeitsamste Volk, das er
kenne. Aber auch: "Es ist auch
das verspielteste Volk." So ist es nicht erstaunlich, dass der Thai Green Rice anders fabriziert wird als der
in Vietnam.
Die Vietnamesen drücken das noch unreife Korn in mühseliger Arbeit aus den Rispen. Die flache Form
bekommt das Korn, weil es noch weich ist in seiner Struktur. Die Thailänder hingegen weichen das reife
Korn in Wasser ein. Es wird in leicht getrocknetem Zustand von speziellen Maschinen flach gewalzt. Das
ermöglicht dem Thai Green Rice, der seine Farbe von den Blättern des Pandangrases hat, ein Garen innert
Minuten - wie das beim vietnamesischen Reis der Fall
ist, der mit chemischen Zusätzen grün gefärbt wurde.
Klar, dass sich die verspielten Thailänder nicht damit begnügen, nur grünen Reis herzustellen. Sie fertigen
auch Reis in Rot, Gelb und Orange. Wie diese Farben entstehen? "Randen liefern das Rot, Karotten färben
die Körner Gelb, und Kürbis schenkt den ursprünglich weissen Körnern ein tiefes Orange", sagt Wanphen
Heimann. Und mit einem kleinen Seitenhieb auf das vietnamesische Brudervolk sagt sie:
"Das wirklich Schöne an natürlich gefärbtem Reis ist, dass er anders schmeckt."